Peter Scholl-Latour

Peter
Scholl-Latour

09.03.1924
Bochum
-
16.08.2014
Rhöndorf

stimmungsbild

Gedenkseite für Peter Scholl-Latour

Jugend und Ausbildung

Peter Scholl-Latour war der Sohn des im Saarland geborenen und in Lothringen aufgewachsenen Arztes Otto Scholl-Latour, seine Mutter stammte aus dem Elsass. 1936 schickten seine Eltern den katholisch getauften Knaben auf das Jesuitenkolleg Sankt Michael im schweizerischen Freiburg. Er galt wegen seiner jüdischen Mutter im Sinne der Nürnberger Rassegesetze als „Mischling ersten Grades“. Nachdem den Eltern weitere Geldüberweisungen in die Schweiz untersagt waren, musste er das Kolleg 1940 verlassen und nach Deutschland zurückkehren. Auf dem Wilhelmsgymnasium in Kassel legte Scholl-Latour 1943 die Abiturprüfung ab.

In seinem Buch Leben mit Frankreich – Stationen eines halben Jahrhunderts berichtete er, dass er sich nach der Befreiung Frankreichs von der deutschen Besetzung 1944 freiwillig zur französischen Armee melden wollte. Da aber sein Versuch scheiterte, bei Metz ins französisch kontrollierte Gebiet zu gelangen, beschloss er, sich der Partisanenarmee Titos anzuschließen. Er wurde aber schon in der Steiermark verhaftet und war 1945 in Gestapo-Haft in Graz, Wien und Prag. In der Gefangenschaft erkrankte er an Flecktyphus und kam in ein Krankenhaus.

Nach seiner Genesung meldete sich Scholl-Latour 1945/1946 zu der französischen Fallschirmjägereinheit Commando Ponchardier, die in der vom japanischen Kaiserreich zurückgegebenen Kolonie Indochina eingesetzt war. Ab 1948 studierte er an der Universität Mainz und der Pariser Sorbonne zunächst ein Semester lang Humanmedizin, sodann Philologie und Politikwissenschaft. 1950 erwarb er die Licence ès lettres an der Sorbonne und 1951 das Diplôme des Sciences Politiques am Sciences Po (Paris); danach setzte er sein Studium an der Sorbonne fort, das er im Januar 1954 mit einer Promotion über Rudolf G. Binding abschloss. Von 1956 bis 1958 studierte er Arabistik und Islamkunde am Sprachzentrum Bikfaya der Beiruter Université Saint-Joseph und schloss mit der Diplomprüfung ab.

Tätigkeit als Journalist

Scholl-Latour arbeitete schon während des Studiums als Reisejournalist für deutsche und französische Zeitungen und Rundfunkanstalten. Sein Volontariat absolvierte er 1948 bei der Saarbrücker Zeitung. Für seine Berichte bereiste er Amerika, Afrika, den Vorderen Orient und große Teile Südost- und Ostasiens.

In den Jahren 1954 und 1955 war er Sprecher der Regierung des Saarlandes, wo er zunächst zum Mitarbeiter und Pressesprecher des Amtes für Europäische und Auswärtige Angelegenheiten in Diensten des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann berufen wurde. 1956 entschied er sich endgültig für den Journalismus und bereiste Afrika und Südostasien. Von 1960 bis 1963 war er ständiger Afrika-Korrespondent der ARD. 1963 gründete er das ARD-Studio in Paris, das er bis 1969 leitete. Nach seinem Wechsel als Chefkorrespondent zum ZDF (1971) leitete er von 1975 bis 1983 zusätzlich das Pariser ZDF-Studio.

Scholl-Latour reiste von Paris aus regelmäßig als Sonderkorrespondent nach Vietnam, wo er und sein Kamerateam 1973 von den Vietcong gefangen genommen, nach einer Woche jedoch wieder freigelassen wurden. 1976 bereiste er erneut Vietnam, 1978 Kanada, 1980 Kambodscha und 1981 China und Afghanistan. Seit 1978 stand Scholl-Latour in Kontakt zu Ayatollah Chomeini, der sich damals in Paris im Exil befand. Dabei gehörte er zu den privilegierten Journalisten, die den Revolutionsführer bei seiner Rückkehr in den Iran im Flugzeug begleiten und danach in den Monaten der Revolution mehrfach interviewen durften.

Arbeit in Deutschland

Von 1969 bis 1971 war er WDR-Fernsehdirektor und Programmdirektor des 1965 gegründeten Westdeutschen Fernsehens (WDF), des heutigen WDR-Fernsehens. In seine Amtszeit fielen unter anderem die Einführung des Schulfernsehens und der Lach- und Sachgeschichten, Vorläufer der Sendung mit der Maus sowie der kontroverse Fernsehfilm Das Millionenspiel und die Chronik der laufenden Ereignisse von Peter Handke.

1983 wandte er sich wieder den Printmedien zu und wurde Chefredakteur und Herausgeber des durch die Affäre der gefälschten Hitler-Tagebücher schwer angeschlagenen Magazins Stern sowie Vorstandsmitglied des Stern-Verlags Gruner + Jahr.
Bereits ein Jahr später gab er diese Tätigkeit jedoch auf und wurde 1984 Beiratsmitglied der UFA-Film- und Fernseh-GmbH.

Seit seinem Ausscheiden bei Gruner + Jahr war er als Publizist und Autor von Dokumentarfilmen tätig.

Arbeit als Publizist

Seit 1988 war Scholl-Latour vor allem als freier Autor tätig. Bis 2010 produzierte er gelegentlich noch Reportagen für das ZDF und trat weiterhin als Interviewpartner und Gast in Talkshows auf.

Der Islam und der Nahe Osten waren nur ein Aspekt seiner journalistischen Arbeit. Zu vielen Themen und Weltregionen erschienen Bücher von ihm (zum Beispiel zu Nordkorea und der Volksrepublik China). Ein besonderes Faible entwickelte Scholl-Latour für Indochina, von dem sein Buch Der Tod im Reisfeld handelte. In Laos lernte er seine erste Frau kennen, und in Vietnam verbrachte er lange Aufenthalte seit der französischen Kolonialzeit. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit war Afrika und die vielfältigen Probleme dieses Kontinents seit der Entkolonialisierung.

Von 1985 bis 2007 war Peter Scholl-Latour Mitglied des Beirates der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Nach dem Rücktritt Otto Wiesheus wählte ihn die Mitgliederversammlung am 22. März 2007 in Berlin zum Präsidenten.

Persönliches

Scholl-Latour, der sowohl die deutsche als auch die französische Staatsbürgerschaft hatte, lebte abwechselnd in seinen Wohnungen im Bad Honnefer Ortsteil Rhöndorf, Berlin und Paris und in einem Haus bei Nizza. Er war in erster Ehe verheiratet mit der Journalistin Gertrud Knies (* Februar 1924) (Redakteurin der „Frauenecke“ der Saarbrücker Zeitung) und hatte mit ihr einen Sohn, der Arzt wurde und heute als Farmer in Neuseeland lebt. Nach der Scheidung heiratete Scholl-Latour 1985 Eva Schwinges.

Am 16. August 2014 starb er nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren in Rhöndorf.

Positionen

Scholl-Latour war ein starker Befürworter einer gemeinsamen europäischen Verteidigung und kritisierte die EU-Osterweiterung, die er für übereilt hielt. Durch diese verliere die abendländische Gemeinschaft speziell auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik an Kohärenz und Handlungsfähigkeit. Weiterhin sprach er sich während Heiner Bremers Talkshow Das Duell bei n-tv (2007) und in einem Artikel für eine nukleare Bewaffnung der Bundeswehr zum Zweck der Abschreckung aus.

Klimaschutz hielt er für ein „Modethema“. Scholl-Latour war ein Unterstützer des Zentrums gegen Vertreibungen.

Gaullismus

Scholl-Latour war erklärter Gaullist, jedoch lehnte er diese Bezeichnung mit dem Verweis auf de Gaulles Tod ab.
Er betrachtete die politischen Vorgänge auf dem Balkan, in Afrika, im Nahen Osten und Ostasien insbesondere aus der Sicht französischer Machtpolitik. Seine Berichte enthielten zahlreiche historische Bezüge und brachten ihm zusammen mit seinen vielen Auslandsreisen, die er seit den 1950er Jahren unternommen hatte, den Ruf des „Kenners der Kontinente“ (ZDF) ein.

Beziehung zum Islam

Den deutschen Medien galt er seit vielen Jahren als Ansprechpartner und Experte für die Themenbereiche Naher Osten und Islam. In vielen Fernsehdiskussionsrunden äußerte sich Scholl-Latour kritisch über die Rolle der USA und Großbritanniens bei geplanten und geführten Kriegen in Afghanistan und im Irak. Aufgrund seiner Erfahrungen in diesen Regionen sagte er bereits im Vorfeld mehrfach öffentlich ein langfristiges Scheitern der Invasionen voraus und führte dazu neben anderen Beispielen den Misserfolg der sowjetischen Intervention in Afghanistan an.

Bei medialen Auftritten und in seinen Büchern bezeichnete er die Existenz der Terrororganisation al-Qaida letztlich als ein Produkt des amerikanischen Auslandsnachrichtendienstes CIA, der im Rahmen der größten verdeckten Operation Cyclone auch Osama bin Laden in Afghanistan bei der Rekrutierung Freiwilliger zum Kampf gegen die UdSSR finanziell massiv unterstützte.

In der Iranischen Revolution von 1979 sah Scholl-Latour den Anfangspunkt einer größeren „islamischen Erneuerung“, über die er in vielen seiner Bücher schrieb und die er als eine der großen Herausforderungen des neuen Jahrhunderts ansah.

Bewertung

Seit Ende des 20. Jahrhunderts wurde Scholl-Latours Autorität, parallel zu seiner weitreichenden Akzeptanz als Asienkenner und v.a. als Nahost-Experte, von einigen Journalisten und Wissenschaftlern in Frage gestellt. So wurde ihm u.a. von den Orientalistinnen Verena Klemm und Karin Hörner, von Udo Steinbach und der taz vorgeworfen, durch undifferenzierte Sichtweisen bestehende Feindbilder aufrechtzuerhalten und alte Ängste zu schüren, sowie sich aufgrund seines Mangels an akademischer Sorgfalt und an einschlägigen Fremdsprachenkenntnissen relativ oft bei Tatsachenbehauptungen zu irren. Inhaltlich und stilistisch sehen Kritiker in seinen Büchern auch Parallelen zum klassischen Kolonialroman. Der Professor für gegenwartsbezogene Orient-Wissenschaft Gernot Rotter initiierte Anfang der 1990er Jahre am Orientalistischen Institut der Universität Hamburg ein eigenes Forschungsprojekt, das die Schriften Scholl-Latours und Gerhard Konzelmanns, eines ebenfalls in der Öffentlichkeit als Experte für die islamische Welt wahrgenommenen Autors, einer kritischen Analyse unterzog. Die teilnehmenden Wissenschaftler kamen jeweils zu stark negativen Bewertungen und verfassten zu beiden Autoren jeweils einen Sammelband. Die Medienjournalisten Wolfgang Röhl und Stefan Niggemeier bemängeln, bei Scholl-Latours häufigen Fernsehauftritten hätten seine Hinweise auf persönliche Erfahrungen in Krisenregionen meist gegenüber Sachargumenten im Vordergrund gestanden.

Der Journalist und Nahost-Experte Rudolph Chimelli verteidigte Scholl-Latour gegen derartige Kritik. Scholl-Latour habe sich, so Chimelli, vor allem dadurch Gegner gemacht, dass er „über die Jahrzehnte hinweg fast immer gegen den westlichen Meinungsmainstream geschwommen“ sei und „in seiner Wortwahl nicht reflexartig westliche, vor allem amerikanische Propagandathesen wiedergebe“.

(Quelle: Wikipedia - Die Freie Enzyklopädie)

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