Jonas Emanuel
Heilmann

von Jutta Heilmann am 24.08.2016 - 09:50 Uhr | melden

Brief an das wundervollste Kind der Welt
Hallo, mein kleiner süßer Sternemausebär.
Weißt Du Mama denkt mal wieder sehr viel nach, überlegt: "was wäre wenn.......
Aber irgendwie denke ich: es MUSS alles so gut sein, wie es ist!
NEIN, was natürlich nicht gut ist, ist die Tatsache, das Du nicht mehr bei mir bist und nicht gut ist auch, das Du oft sehr viel aushalten mußtest!
Wie gerne wollte ich Dir alle Schmerzen und Ängste und Plagen genommen haben.
Du warst immer so tapfer und hattest immer den Schalk im Nacken.
Schon im ersten Lebensjahr: ich hatte irgendwie oft den Eindruck, das Du alle gerne so ein bissele hinters Licht geführt hast.
Vom 2. März bis 22. August 2005 waren wir im Krankenhaus, alles nur wegen dieser bescheuerten Epilepsie.
Bestimmt ein halbes Duzend Mal stand die Entlassung an: bei den morgendlichen Visiten wurde zufrieden fest gestellt, das Deine Anfallssituation zwar noch katastrophal, aber so weit im Griff ist, das man daran denken könnte Dich nach Hause zu entlassen.
Jedes Mal hast Du spätestens am nächsten Tag einen drauf gesetzt mit einem Status der irgendwie alle um Dich herum fast in Panik versetzt hat. Einmal hatte die Visite kaum die Türe hinter sich geschlossen, da ging es los...aber wie.
Und irgendwie hatte ich jedes Mal den Eindruck, sobald der Status vorbei war das Du irgendwie überlegen gegrinst hast, in der Art: " ne sooo unkompliziert ist ein Mausebär eben nicht, zerbrecht Euch ruhig mal wieder die Köpfe, wie man so ne bekloppte Epilepsie in den Griff bekommt."
Weit gereist bist Du kleiner Mann in alle halbwegs erreichbaren Fachkliniken....aber irgendwie hast Du immer wieder rauchende Köpfe und am Ende entschuldigendes Schulterzucken ausgelöst.
ABER niemals hast Du Dein Lachen verlernt.
Und irgendwie hast Du oft den Menschen die in Dein Leben eingebunden waren ( Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten aber auch Verwandten, Bekannten, Freunden, die nicht regelmäßig oder dauerhaft mit Dir Kontakt hatten) ein sehr unterschiedliches Bild geliefert.
Da war einerseits der schwerkranke, schwer beeinträchtigte Junge, aber auf der anderen Seite der fast immer fröhliche, zufrieden wirkende Mausebär.
Manche ( vor allem Ärzte) haben irgendwie nur den schwerkranken Jonas kennen lernen dürfen. Und irgendwie hatte ich auch da teils den Eindruck, das Du auch das gesteuert hast, Du kleiner Schelm
Ich denke, manchmal, wenn sich Ärzte oder Pflegekräfte etc miteinander über Dich unterhalten haben hatten sie den Eindruck das sie von zwei verschiedenen Kindern sprechen.
Ja, auch mich hast Du manchmal "hinters Licht geführt" und in fast peinliche Situationen gebracht.
Wenn ich z.B einem Arzt, Therapeuten....erzählt habe Dir ginge es momentan gut und keine Minute später hast Du was ganz anderes gezeigt.
Oder wir sind z.B schonmal notfallmäßig im RTW los gedüst, weil Du so massiv aus der Nase geblutet hast und auch der KiA das vor Ort nicht stillen konnte. Kaum im RTW ein paar Meter gefahren hörte die Blutung auf und in der Klinik angekommen warst Du ein kleiner kichernder Mausebär und wir fuhren nach einer Blutbildkontrolle wieder heim.
Oder ich habe jemandem aus dem Freundeskreis eben berichtet während einem Klinikaufenthalt, das es Dir gut geht, Deine Epilepsie so gut wie selten eingestellt sei und 2 Stunden später das totale Chaos.
Dann eine Woche später: "wie Ihr seid noch in der Klinik?, ich dachte es geht Jonas gut?" Ne nun wieder so schlimm wie selten.
Und immer wieder hatte ich den Eindruck das Du Dich irgendwie ein bissele über uns alle amüsiert hast.
Am 29.04. 2010: eigentlich war für den 30.04. nach ca. 6-wöchigem Klinikaufenthalt endlich die Entlassung geplant mal wieder in instabiler Anfallssituation, aber AZ stabilisiert, den "Rest" wollten wir ambulant machen.
Wir hatten schon einiges ins Auto gebracht, damit es am nächsten Tag nicht zu viel wird. Du hast mal wieder gekrampft wie doll, mal wieder Notfallmedikamente...keine Besserung.....plötzlich hast Du aufgehört zu atmen...."Near-missed-SUDEP-Ereignis" war die Diagnose, die Prognose, das Du wohl nicht mehr selbständig atmen wirst.....dann kamen noch ein akutes Lungenversagen und V.a auf akutes Rechtsherzversagen hinzu.....das Ethikkomitee hatte schon beraten, wie es weitergehen soll.....
Zwei Wochen nach diesem Ereignis sind wir erfolgreich extubiert ins Kinderhospiz gefahren....Dir ging es so gut wie lange nicht, Du kleiner Wunderzwerg
2011 dann wieder völlig entgleiste Epilepsie und die Aussage einer Uniklinik, das Du möglicherweise aus dem Status nicht mehr heraus kommst....und wieder mit einem neuen Medikament, das eigentlich für eine andere Art der Epilepsie ist (Diacomit) haben wir die Epilepsie so weit in den Griff bekommen, das Du "leben" konntest damit.
Aber die vielen immer sehr hoch dosierten Medikamente haben Bauchspeicheldrüse und Leber so stark geschädigt......... Ich konnte Dich am Ende kaum noch ernähren. Jeder Abend war geprägt von massiver Übelkeit, Schmerzen und Würgereiz.......
Und eigentlich Männlein hatte ich so gehofft das eine OP in Tübingen Dir wieder mehr Lebensqualität bringt.
Nein diese Dinge waren natürlich nicht gut, ABER Du warst und bist so wundervoll. Nie hast Du Dein Lachen wirlich verloren.
Du hast mir ( und auch anderen) gezeigt das Lebensqualität und Glück nicht von Äußerlichkeiten abhängen, sondern nur von Zufriedenheit.
Zufriedenheit mit dem was man hat, Bescheidenheit und das Leben so annehmen wie es ist, DAS ist Lebensglück!
Ich bin für jeden Tag und jede Stunde dankbar, die ich mit Dir erleben durfte. Ich bin dankbar, das es Dich gibt und das ich hier Deine Mama sein durfte, sein darf. Denn auch jetzt: Du schickst mir Zeichen, wie gestern die kleine weiße Feder die fast mein Gesicht gestreift hat. Oder öfters Mal ne "Dusche" beim gießen entweder durch plötzlich einsetzenden Regen oder ein Wasserhahn der plötzlich in die falsche Richtung schießt
Du kleiner Schelm, ich liebe Dich