Georg Streng

Georg
Streng

14.12.1872
Markt Bruck bei Erlangen
-
23.07.1918
Lindau

stimmungsbild

Gedenkseite für Georg Streng

Lebenslauf von Pfarrer Georg Streng, 1872 – 1918.
Verfasst von seiner Ehefrau Lina (Adelheid), geb. Frisius und von seinem Sohn Friedrich Streng ergänzt.

Georg Jakob Streng wurde am 14.12, 1872 als Sohn des Pfarrers Georg Jakob Streng und seiner Ehefrau Dorothee, geb. Fronmüller zu Markt Bruck bei Erlangen geboren. Die häuslichen, durch eine langwierige, schwere Krankheit des Vaters belasteten Verhältnisse zwangen die Mutter, den lebhaften Knaben schon sehr frühzeitig in das Pfarrwaisenhaus zu Windsbach zu schicken. Hier fand er Versorgung, Erziehung und Unterricht bis in den ersten Klassen des Gymnasiums, der sogenannten Lateinschule. Einem persönlichen Wunsch entsprechend, erlaubte ihm die Mutter den Besuch des Gymnasiums St. Anna in Augsburg, "als Zögling des St. Anna Kollegiums. Nach einem sehr guten Abschluss bezog er zunächst die Universität in Erlangen. Im ersten Jahr, hauptsächlich mit philosophischen Studien beschäftigt, wurde ihm im folgenden, durch die Kollegien bei Prof. Zahn, klar, dass, er sich dem theologischen Beruf widmen wolle. Nach Beendigung der Universitätsstudien in Leipzig und abgelegter Aufnahmeprüfung (1896) versah er eine Vikarstelle in der separiert-luth. Gemeinde in Ispringen bei Pforzheim in Baden.

Sie war nach allen Seiten hin dazu geeignet, ihn eine luth. Separation verstehen zu lassen, als berechtigt, wenn auch nicht auf Grund der Schrift absolut notwendig.

Dieser Standpunkt machte es ihm möglich, nach Jahresfrist einer Aufforderung Folge zu leisten, seinen Dienst an den deutsch- evangelischen Gemeinden in Paris fortzusetzen, (Oktober 1897). Er arbeitete dort an der Gemeinde der Vorstadt La Villette, vorwiegend bestehend aus Strassen- und Fabrikarbeitern, deren Eltern und Grosseltern seinerzeit Pastor von Bodelschwingh in der „Hügelkirche" gesammelt hatte. Es war nach manchen Seiten hin keine leichte Aufgabe, aber die aufrichtige Frömmigkeit mancher dieser Ärmsten unseres Volkes und ihre Treue zu ihrer deutschen Hügelkirche war der schönste Lohn. Einmal im Monat hatte Pfarrer Streng auch in der deutschen Christus-Kirche zu predigen im Zentrum von Paris und zeitweise hatte er auch die Vertretung seines ebenfalls bayerischen Amtsbruders Pastor Hermann Anthes, (bis 1934 an St. Ulrich in Augsburg). Am 1. Oktober 1899 wurde er zum Pfarrer der deutschen Gemeinde in Lyon In Südfrankreich berufen. Diese bestand vorwiegend aus Schweizern und Württembergern. Da ihr ein eigenes Gotteshaus fehlte, wurden die Gottesdienste in einer französischen Kirche gehalten, die für dieses Gastrecht jährlich eine hohe Miete beanspruchte. Für den jungen Pfarrer, der sich In seiner Heimat und auch in den Pariser Gemeinden der schönen, lithurgisch reich ausgeschmückten Gottesdienste erfreute, war es schwer, sich an die von den reformierten Schweizern eingeführte nüchterne Art des Gottesdienstes zu gewöhnen; doch wurde ihm dadurch in besonderem Masse der Trost und die Erkenntnis zu Teil: „Das Reich Gottes kommt nicht mit äusserlichen Gebärden, es ist inwendig in Euch“.

Das Gemeindeeben spielte sich hauptsächlich in einem geräumigen, ebenfalls gemieteten Gemeindesaal ab, der aber jederzeit zur Verfügung stand. Hier wurde eine ausgedehnte Armenpflege geübt, die sich auch auf die vielen jungen deutschen durchreisenden Deutschen erstreckte, um ihnen mit Rat und Tat beizustehen. Hier fanden die vielen jungen Mädchen, fast alle im Dienst französischer, katholischer Familien, nun geschart um deutsches Gotteswort und Gesang, und verbunden in froher deutscher Geselligkeit, ein Stückchen deutsche Heimat. Auch junge deutsche Kellner kamen hier zusammen, oft Söhne namhafter Gasthäuser in Deutschland, die ihre Fachkenntnisse in den feinen, französischen Hotels zu erweitern suchten; ebenfalls junge Kaufleute, die sich in der Seidenindustrie ausbildeten, denn diese beherrschte in Lyon alles, vom Fabrikarbeiter bis zum Vertreter und Direktor grosser Export-Geschäfte. So bot die deutsche Gemeinde ein bunt zusammengesetztes Bild.

Am 1. August 1900 verheiratete Pfarrer Streng sich mit Lina Frisius, Tochter des Kirchenrats und deutschen Hofpredigers Friedrich Frisius in London und seiner Ehefrau Agnes, geb. Frisius. Die junge Pfarrfrau war am 28. Dezember 1874 in Paris geboren, da ihr Vater zuerst Pastor der deutschen luth. Gemeinde in Paris war, bis er In November 1892 den Ruf an die Hamburger Kirche in London erhielt, später an die deutsche Hofkirche St. James Chapel, Buckingham Palace. Am 1. Dezember 1903 wurde Pfarrer Streng an die deutsche luth. Christuskirche in Paris (www.evangelischekircheparis.org ) berufen, als Nachfolger von Pastor Hermann Anthes. Zum Schutz in Feindesland hatten sich die Pariser deutschen Gemeinden an das französische Konsistorium Augsburger Konfession angeschlossen. 1906 bei der Trennung von Staat und Kirche bildeten die deutschen Gemeinden, wie die französischen, einen Kultus-Verein mit eingeschriebenen Mitgliedern. Sie trennten sich vom französischen Konsistorium und schlossen sich der Hannoverschen Landeskirche an, welche auch die Besoldtung der deutschen Pfarrer übernahm. Denn die Heimatkirche (meistens der 0berkirchenrat Berlin) hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die vielen evangelischen Deutschen Im Ausland zu sammeln und zu betreuen und ihnen mit Hilfe des Gustav- Adolf- Vereins Kirchen und Gemeindehäuser zu bauen. Sie wurde hierbei kräftig unterstützt von den deutschen Botschaftern, die nicht nur ihr warmes Interesse bekundeten, sondern zum Teil mit vorbildlicher Treue die deutschen Gottesdienste besuchten.

Ihrem Einfluss war es auch zu danken, dass die Christus Gemeinde regen Anteil nehmen konnte am deutschen Geistesleben der Heimat, durch Einladung hervorragender Persönlichkeiten zu Predigten und Vorträgen. Für „Dantes Göttliche Komödie" und „Goethes Faust" wurde Prof. Pochhemmer von der Humboldt- Akademie- Berlin gewonnen; für den Gedankenkreis der „Parzival Sage“ Prof. Freiherr v.d. Pforten- München. Domprediger D. Dryander Berlin sprach über „Erinnerungen aus der evangelischen Diaspora, besonders des Orients“, und Hofprediger Stöcker über „die Berliner Stadtmission". Dryander und Stöcker erbauten und stärkten die Gemeinde durch Ihre glaubensvollen und feinsinnigen Predigten, denen sich im Lauf der Jahre u. a. Prof. Reinhold Seeberg- Berlin, Abt Hartwig von Kloster Lokkum- Hannover, Oberkonsistorialrat Köhler- Hannover, D. Bezzel- München anreihten. So entfaltete die deutsche Christus- Gemeinde ein geistig reges, vom Gott-vertrauenden Glauben der Väter getragenes, reiches innerliches Leben.

Doch auch nach aussen wurde ihr eine schöne, erfreuliche Entfaltung zu Teil. Zu der würdig ausgestalteten Christus-Kirche wurde ein geräumiges (im Stil der Kaiserpfalz zu Goslar) Gemeindehaus gebaut, mit einem grossen Gemeindesaal mit Emporen, Räumen für Versammlungen für Jugend-Vereine und Wohnung für den 1. und 2. Pfarrer.
Das Gemeindeleben verlief im Ganzen ähnlich dem vorher in Lyon geschilderten, nur umfasste es weitere Kreise; es waren Deutsche aus allen Gauen der Heimat vertreten, denen die letzte deutsche Kaiserin in die von ihr gestiftete Altar- Bibel das Wort schrieb:
„Fürchte Dich nicht, Du kleine Herde, denn es ist Eures Vaters Wohlgefallen, Euch das Reich zu geben." Diese Bibel ist noch heute im Besitz und im Gebrauch der 1927 wieder neu gesammelten Christus- Gemeinde in Paris.

Denn als am 1. August 1914 der Weltkrieg ausbrach, wurden ihre Gemeindeglieder plötzlich auseinandergerissen und in alle Teile der deutschen Heimat verstreut. Auch Pfarrer Streng musste bei der Ausweisung der Deutschen aus Frankreich Paris verlassen, mit seiner Frau und seinen 3 Kindern Friedrich, Agnes und Gudrun, im Alter von 10, 11 1/2 und fast 5 Jahren. Da er von seiner bayerischen Heimatkirche nur von 3 zu 3 Jahren, immer von neuem, für den Dienst im Ausland beurlaubt war, wurde ihm durch das überaus freundliche Entgegenkommen des damaligen Präsidenten der Bayerischen Landeskirche D. Excellenz v. Bezzel schon am 1. September 1914 die Vertretung der Gemeinde Reutin am Bodenseeübergeben.
Schon am 2. 11. 1914 wurde er von Kirchenrat Caselmann - Aeschach in sein neues Amt als Pfarrer von Reutin feierlich eingeführt.

Soweit ist hier der Bericht unserer Mutter ( um 1930 ? ) über den „Lebenslauf von Pfarrer Georg Jakob Streng“ , unseres Vaters, als wortgetreue Abschrift wiedergegeben. Der letzte Abschnitt ist, wie folgt, von Friedrich Streng zusammengefaßt und durch zusätzliche Bemerkungen ergänzt.

Die Flüchtlinge hatten damals, nach fast elf Jahren arbeitsreicher Tätigkeit in Paris, plötzlich ihren umfassenden Wirkungskreis (und auch ihre ganze Wohnungseinrichtung) verlassen müssen. Nun wurden sie von der Gemeinde Reutin (heute Ortsteil der Inselstadt Lindau) sehr freundlich und hilfreich aufgenommen - und dabei wurden u.a. auch die notwendigen Möbel zur Einrichtung des Pfarrhauses, leihweise zur Verfügung gestellt. Für unsere Eltern und für uns Geschwister bedeutete der unerwartete Wechsel von der AusIandsgemeinde in der Weltstadt Paris zur Dorfgemeinde am Bodensee eine durchgreifende Umstellung.

Der grundlegende Wesenszug von Georg Streng war seine tiefempfundene, lutherisch geprägte Frömmigkeit, die ihm, als ein wesentlicher Teil seiner vielfältigen Begabung von seinen Eltern und Voreltern vererbt worden war. Diese Grundlagen befähigten ihn, sowohl in den ausländischen städtischen Bereichen als Prediger und Seelsorger auf Mitmenschen der verschiedensten Stände und Berufe einzuwirken, als auch anschließend, in den schweren Jahren des ersten Weltkrieges, den ländlichen Mitmenschen des Bodensee-Dorfes, zumeist Bauern und deren Gesinde, sowie Handwerkern und kleinen Geschäftsleuten, (über die damals die Kriegsnöte und Verluste von Söhnen, Ehemännern und Vätern hereinbrachen) - allen diesen innere Stärkung, Trost und „Dennoch- Gottvertrauen“ zu vermitteln.
Neben seiner sorgsamen Gemeinde-Tätigkeit rang Georg Streng während diesen Jahren seinen späten Frei- Stunden und oft seinen Nachtstunden schriftstellerische Arbeiten ab, die er offenbar schon in früheren Jahren begonnen oder vorbereitet hatte. (Zusammenstellung einiger Titel siehe besonderes Blatt). Je länger die Kämpfe an den Fronten dauerten, um so mehr lasteten schwere Sorgen um die künftige Entwicklung auch auf dem Pfarrer von Reutin.
Obwohl er während seiner bisherigen ganzen Dienstzeit nicht ernstlich krank gewesen und obwohl er erst ein Alter von 45 Jahren erreicht hatte, war sein Befinden allmählich merklich angegriffen. Mitte April 1918 brach er plötzlich zusammen und mußte sich (einer Bauchfellentzündung wegen) einer schweren Operation unterziehen, von der und deren Folgen er sich nicht mehr erholen konnte. Von seinem schmerzlichen Krankenlager wurde er dann, voller Glaubenshoffnung, am 23. Juli heimgerufen. Im Rahmen einer von ihm selbst festgelegten, liturgischen Feier wurde er unter großer Anteilname, auf dem Friedhof zu Reutin bestattet. Die dankbare Gemeinde hat sein Andenken noch lange Zeit in Ehren gehalten.

Er verfasste von Paris aus Beiträge für evangelische Gemeindeblätter in Deutschland. Einen solchen Fortsetzungsbeitrag entwickelte er bis 1916 zu der Broschüre

„Goethes Faust,
als ein Versuch zur Lösung des Lebensproblems in den Hauptlinien betrachtet und beurteilt”, Autor Georg Streng.
(Müller & Fröhlich Verlagsbuchhandlung, München).

Dieses Buch wurde jetzt als E-Book herausgegeben:
Lebensproblem Sehnsucht (kommentiert): Goethes Faust als ein Versuch zur Lösung von Georg Streng,
herausgegeben von seinem Enkel Dr. Hartmut Streng im Wieken-Verlag, 2014.
EPUB ISBN 9783943621211,
Kindle ISBN 9783943621228


Im Februar 1918 gelang ihm noch die Fertigstellung eines Buches

„Das Rosettenmotiv”
in der Kunst- u. Kulturgeschichte
Autor Georg Streng
im vorgenannten Verlag.

Weiter Schriften:
Evangelisches Gemeindeblatt für den Dekanatsbezirk München,
1914, Oktober Nr. 10, Seiten 156 ff.
Georg Streng:
In Paris um die Wende Juli / August 1914 .

Bayrische Staatszeitung Kgl. Bayrischer Staatsanzeiger München,
1915, 11. + 12. +13. November,
Georg Streng:
Vierzig Jahre deutscher Kulturarbeit in Frankreich.


Weitere Informationen zu Georg Streng finden Sie auf
http://www.g-streng.de/Pfarrer%20Georg%20Jakob%20Streng/pfarrer%20georg%20jakob%20streng.html

Weiter Informationen zur Genealogie der Familie Streng finden Sie auf www.g-streng.de