Mit einem Geschenk hinterlassen Sie Ihr persönliches Zeichen in Gedenken an Axel Stoll. Veredeln Sie jetzt für 2,99 Euro diese Gedenkseite durch ein Geschenk in Ihrem Namen.
Von Bernd 30.07.2014 um 13:32 Uhr | melden
Den Forenmitgliedern stehen die Tränen in den Augen, als sie Bernd nach seiner langen Reise wieder im Roseneck begrüßen. “Vielen Dank, dass du gekommen bist.” Er versteht die Situation sofort. Die Zeit des Abschieds naht. Zu früh, viel zu früh. Aber er weiß, dass dieser Tag kommen musste, und nicht erst in ferner Zukunft.
“Vielleicht sehe ich dich nie wieder”, hatte er mit einem traurigen Lächeln zu ihm gesagt, als er auf seine Reise ging, sein Gesicht so weiß, dass es fast durchsichtig erschien, so zerbrechlich – und daher unbeschreiblich schön -, wie er da im Bett lag.
“Kann ich Axel jetzt sehen?”, fragt er. Der Gastwirt nickt unmerklich und sagt: “Er wird dich allerdings wohl nicht erkennen.” er hat seit gestern Abend die Augen nicht geöffnet, warnt er Bernd. An der leichten Bewegung seiner Brust sieht man, dass er sich noch an einen dünnen Lebensfaden klammert, doch der könnte jeden Moment reißen. “Es ist wirklich zu schade. Ich weiss, dass du extra seinetwegen hergekommen bist…” Eine weitere Träne rinnt über die Wange Marios.
“Ach, das macht doch nichts”, sagt Bernd. Er war bei unzähligen Todesfällen zugegen und seine Erfahrung hat ihn viel gelehrt. Zuerst nimmt der Tod den Menschen die Fähigkeit zu sprechen. Dann die Fähigkeit zu sehen. Bis ganz zum Schluss bleibt jedoch die Fähigkeit zu hören. Auch wenn jemand das Bewusstsein verloren hat, bringen die Stimmen der Familie ihn nicht selten noch zum Lächeln oder Weinen. Bernd legt Mario den Arm um die Schulter und sagt: “Ich will ihm noch viele Geschichten vom Aldebaran erzählen. Darauf habe ich mich die ganze Zeit über gefreut.” Statt zu lächeln, vergießt Mario eine weitere dicke Träne und nickt Bernd zu. “Und Axel hat sich so darauf gefreut, deine Geschichte zu hören.” Die Worte gehen fast im Schluchzen unter.
Der Gastwirt sagt: “Ich würde dir gern anbieten, dich erst einmal von den Reisestrapazen zu erholen, bevor du zu ihm gehst, aber…” Bernd unterbricht seine Entschuldigungen: “Natürlich, ich gehe sofort zu ihm.” Es bleibt nur noch wenig Zeit. Axel, der einzige Stammgast des Gastwirts und promovierter Naturwissenschaftler, wird wahrscheinlich noch vor Sonnenaufgang seinen letzten Atemzug tun. Bernd setzt seinen Laptop auf dem Boden ab und öffnet leise die Tür zu Axels Zimmer.
Axel war von Geburt an alkoholkrank. Da Reisen für ihn nicht infrage kam, verließ er selten die Stadt oder auch nur das Viertel, in dem er geboren und aufgewachsen war. Axel wird wahrscheinlich das Rentenalter nicht erreichen, sagte der Arzt dem NSL-Forum. Diesem zerbrechlichen Diplom-Geologen mit den außergewöhnlich herben, moderigem Gereuch hatten die Götter Valhallas ein allzu trauriges Schicksal zugedacht.
Dass sie ihn als einzigen Physiker des Forums eines kleinen Gasthauses in Berlin aufwachsen ließen, war vielleicht eine kleine Wiedergutmachung dieser Ungerechtigkeit. Axel konnte nirgendwo hingehen, aber die Gäste, die im Wirtshaus Roseneck übernachteten, erzählten ihm Geschichten über die Planeten und Monde und HAARPs und Menschen, die er niemals kennenlernen würde. Immer, wenn ein neuer Gast in das Wirtshaus kam, fragte Axel ihn: “Woher kommst du?” “Wohin gehst du?” “Wer hat das Warsteiner bestellt?”




