Gabriele Schulz

Gabriele
Schulz

12.04.1945
Taura
-
19.09.2019
Nürtingen

stimmungsbild

Gedenkseite für Gabriele Schulz

Gabriele Schulz wurde im Frühling am 12. April 1945 in Taura geboren und starb am 19. September 2019 mit 74 Jahren in Nürtingen.

Gabriele wurde von Freunden und Familie fast immer mit der Namenskurzform Gabi angesprochen.
Sie erblickte das Licht der Welt in den Wirren des Kriegsendes an historisch bedeutsamem Ort in der Nähe von Torgau am 12. April 1945. Genau zwei Wochen bevor die russischen und US-amerikanischen Streitkräfte in Deutschland zum ersten Male am 26. April 1945 aufeinander trafen und die Vereinbarung für das historische Foto des Aufeinandertreffens der beiden Armeen auf der Torgauer Brücke für den Folgetag vereinbarten. Ihr Elternhaus lag in Sichtweite dieses historischen Handschlags. Weil aber Torgau bis dahin ein Ort umfangreicher Truppenbewegungen war, verbrachte ihre Mutter die letzten Wochen vor der Geburt bei ihren Eltern im nicht weit entfernten, abgeschieden gelegenen Forsthaus der kleinen Ortschaft Taura, welches deshalb ihr Geburtsort wurde. Das nahe Kriegsende erlebte sie im Alter von gerade einmal vier Wochen. Aber die Zeiten waren noch weit davon entfernt friedlich geworden zu sein: Wenige Tage nach Kriegsende wurde ihr Großvater nahe der Torgauer Brücke erschossen, wo seit 2004 eine Gedenktafel im Museum in Torgau an dieses Verbrechen erinnert.

Die Familien der Elterngeneration bauten sich ab 1946 in Niedersachsen eine neue Existenz auf und so fand sich ihr Lebensmittelpunkt bald im Kreis Peine, wo Gabi – nach anfänglich entbehrungsreichen Jahren – ihre Kindheit und Schulzeit gemeinsam mit ihren beiden jüngeren Brüdern verbrachte. Zu denen hatte sie Zeit Ihres Lebens ein herzliches – und als die Älteste von Dreien – auch stets verantwortungsbewusstes und fürsorgliches Verhältnis.

Schon als junges Mädchen entwickelte Gabi eine von ihrem christlichen Glauben und großem sozialen Verantwortungsbewusstsein geprägte innere Überzeugung, die ihr ganzes Leben anhalten sollte. Zur selben Zeit wurde ihr aber auch die bürgerlich behütete Welt der späten 1950er Jahre schon als angehender „Backfisch“ offenbar zu eng. Gemeinsam mit ihrer besten Freundin büxte sie heimlich von zu Hause aus, um ihrem Idol, einem damals gerade prominent gewordenem mittzwanzigjährigem deutschen Filmschauspieler einen unangemeldeten Besuch in seinem Wohnort an der deutsch-belgischen Grenze abzustatten.

Ihr Leben war seither eine stetige und manchmal rastlose Wanderschaft. Und Gabi hat denen, die ihr besonders nahe standen, Zeit ihres Lebens vermittelt, dass sie stets auf der Suche blieb.
Sie ging direkt nach der Schule als Au Pair für ein ganzes Jahr nach England – und verlängerte die Zeit dann noch einmal. Mit Ihren Gasteltern blieb sie bis zu deren Tod in Kontakt.

Ganz im Sinne ihrer sozialen Einstellung, anderen helfen zu wollen, begann sie danach eine Ausbildung als Krankenpflegekraft. Diese erlaubte ihr auch – immer noch als Teenagerin – ein hohes Maß an Selbstbestimmung, die für sie immer wichtig war. Diese war kein leicht erreichbares Ziel in einer Zeit als die Volljährigkeit erst mit 21 Jahren begann, Emanzipation von Frauen alles andere als selbstverständlich war und die Berufstätigkeit von Frauen noch einer Erlaubnis von Eltern oder Ehemann bedurfte.

Gabi ging für eine lange Phase der beruflichen Qualifikation „auf die Walz“: Lübeck, Belgien, Travemünde, Island, Kassel, Stuttgart, Hannover und andere Orte mehr. Sie wurde Krankenschwesterhelferin, Krankenschwester, OP-Schwester, leitende OP-Schwester und sie arbeitete später zeitweise auch in der Altenpflege. Auch nach ihrer Eheschließung blieb sie – gemeinsam mit ihrem ersten Ehemann – zunächst noch eine Zeit auf beruflicher Wanderschaft.
Erst mit der Geburt des gemeinsamen Sohnes blieb sie ortsständiger. Aber die Ehe hielt nicht lange. Schon in dieser Zeit war Gabi von einer chronischen Krankheit betroffen, die ihren Drang nach Eigenständigkeit und freier Selbstbestimmung immer wieder einschränkte.

Es folgte eine längere Phase, in der die Unterstützung ihrer Mutter für sie notwendig wurde. Nur mit ihrer Hilfe waren Familie und Beruf für Gabi noch vereinbar. Der von ihr innigst geliebte Sohn fand dadurch zugleich in seiner Großmutter eine immer wichtiger werdende Bezugsperson. Obwohl Gabi ihrer Mutter für deren aufopfernde Unterstützung immer sehr dankbar war, ist es sicher auch eine schwere Bürde für sie gewesen, auf so viel Unterstützung angewiesen zu sein.

Ihr Leben bekam eine neue Richtung und Ihre Kraft erhielt starken Auftrieb durch ihre zweite Ehe. Die Eheleute gründeten eine gemeinsame Patchworkfamilie in Unterensingen bei Stuttgart mit insgesamt vier Kindern, die inzwischen im Jugendalter oder schon junge Erwachsene waren. Es waren anfangs glückliche Zeiten gemeinsamen Aufbruchs, gemeinsamer Reisen, gemeinsamer Existenzgründung und –Sicherung, gemeinsamer ehrenamtlicher Tätigkeiten in mehreren christlichen und karitativen Institutionen. Die Kinder schlossen alle ihre Schulzeit und Ausbildung ab, verließen das elterliche Nest und traten ins Berufsleben ein. Die neu gewonnene Unabhängigkeit von Eltern, deren Kinder nunmehr selbständig geworden waren, nutzte das Ehepaar kreativ und mit Gemeinsinn. So richteten sie im Jahre 2002 das immer größer werdende, alle zwei bis drei Jahre stattfindende, mehrtägige Familienfest des Torgauer Familienstamms „Stoll“ aus - mit fast 100 Teilnehmer*innen aus vier Generationen, die inzwischen auf vier Kontinenten verteilt leben.
Aber stets gab es Phasen, in denen das Schicksal es nicht gut meinte und das Leben für die Familie immer mehr belastet wurde. Es gab nicht nur die Erkrankung von Gabi. Es folgten auch mehrere, schwere gesundheitliche Schicksalsschläge in ihrer Unterensinger Familie. Das gemeinsame Haus brannte ab. Gottlob haben diese Brandkatastrophe alle Beteiligten ohne Schaden an Leib und Leben überstanden. Es gelang der Familie sogar gemeinsam, das Heim wieder aufzubauen. Aber das Ereignis stand gleichsam als Symbol für einen Bruch in der gemeinsam getragenen Aufwärtsbewegung. Es traten nun auch zunehmend Konflikte hervor - zwischen den Eheleuten und innerhalb der Familie.

Im Winter des Jahres 2014 schlug das Schicksal erneut und doppelt zu: Gabi wurde über Nacht und bis zu Ihrem Tode im September 2019 zu einem Pflegefall. Zu diesem Zeitpunkt verspürte ihr Ehemann bereits gelegentliche Rückenbeschwerden, die sich wenig später als die ersten Vorboten einer unheilbaren Erkrankung erwiesen, an der er nur ein halbes Jahr später im Juni 2015 aus bis zuletzt voll erhaltener Schaffenskraft heraus jäh versterben sollte. Er hat in vorbildlicher Weise noch geregelt, dass seine Ehefrau Gabi auch nach seinem Tode ausreichend sozial abgesichert sein würde. Selbst schon erkrankt, fand er eine geeignete Pflegeeinrichtung in Nürtingen, wo er sich bis zu seinem Tode mit um sie gekümmert hat.

Gabi trug schwer daran – nunmehr selbst täglich auf Pflege und Unterstützung bei den Verrichtungen des täglichen Lebens angewiesen – kaum noch selbst aktiv am Alltag teilnehmen zu können. Sie hat als die hinterbliebene Witwe aber dennoch zusammen mit der Erbengemeinschaft den nach dem Tod ihres Mannes notwendig gewordenen Verkauf der gemeinsamen Immobilie der Eheleute mit auf den Weg gebracht. Dies war für alle Beteiligten ein schmerzhafter und wohl oft neben der Trauer auch als mit einem Gefühl von vermeintlicher Zurücksetzung empfundener, somit zusätzlich traumatisierender Prozess, der sich lange Zeit hingezogen hat. Es gehört dennoch vielleicht zu den besonders positiven Erfahrungen in diesen letzten Jahren voller Leid und Trauer, dass alle Beteiligten damit erfolgreich den Willen bekundet und die Basis geschaffen haben, noch weiter zusammenfinden zu können. Dies ist sicher auch ein Vermächtnis von Gabi an ihre Familie.

Gabi hat ihren irdischen Lebensweg am späten Abend des 19. September 2019 beendet. Sie hatte uns allen schon seit einiger Zeit zu verstehen gegeben, dass sie bereit war für ihren Tod. Ihre Krankheit hatte sie zuletzt immer häufiger ins Krankenhaus geführt. Tapfer hat sie diesen Notfalleinweisungen selbst immer wieder zugestimmt. Sicher geschah das nicht wirklich freiwillig und selbstbestimmt sondern getrieben von der Angst bei vollständig erhaltenem Bewusstsein von einer drohenden Erstickung überwältigt zu werden.

Der Tod war Erlösung für Gabi, nachdem ihr zuvor das Schicksal immer mehr die Kraft, die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und die Würde zu nehmen schien. Bis in ihren Tod blieb sie ihrem tiefen Glauben verbunden und ist ein guter Mensch geblieben. Es war ihr selbst nur zu bewusst, dass dies in den letzten, schweren Jahren nicht mehr von allen zu erkennen vermocht wurde.

Ihr Lebenskreis hat sich nun geschlossen. Sie wird von Nürtingen aus in ihre alte niedersächsische Heimat überführt und dort beigesetzt auf dem St. Jakobi-Friedhof an der Gunzelinstraße in Peine. Es ist dieselbe Straße, in welcher ihre Schule liegt, an der sie fast 60 Jahre zuvor ihr Abschlusszeugnis erhielt - als es für sie feststand, dass sie mit diesem Schulabschluss nun auf Reisen gehen soll, um Ihr Glück zu finden. Sie kommt dort - in der gemeinsamen Familien-Grabstätte - wieder zusammen mit ihrem schon im Jahre 2002 viel zu früh verstorbenen, geliebten Bruder, ihren Eltern, die sie auf ihrem Lebensweg immer rückhaltlos unterstützten und mit ihren Großeltern, deren idyllisch gelegenes Forsthaus im Wald von Taura 1945 am Rande des zu Ende gehenden Weltkrieges ihr Geburtshaus wurde.
Mögen Sie in Frieden ruhen!

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

„Es fragt uns keiner,
ob es uns gefällt,
ob wir das Leben lieben oder hassen,
wir kommen ungefragt auf diese Welt
und müssen sie auch ungefragt verlassen.“ – Mascha Kaléko

Geschenk Am 30.09.2019 von Gedenkseiten.de angelegt.
Geschenk platzierenKlicken Sie mit der linken Maustaste auf ein leeres Feld um an dieser Stelle ein Geschenk zu platzieren.
Geschenk platzierenKlicken Sie mit der linken Maustaste auf ein leeres Feld um an dieser Stelle ein Geschenk zu platzieren.
Geschenk platzierenKlicken Sie mit der linken Maustaste auf ein leeres Feld um an dieser Stelle ein Geschenk zu platzieren.
Geschenk platzierenKlicken Sie mit der linken Maustaste auf ein leeres Feld um an dieser Stelle ein Geschenk zu platzieren.
Geschenk platzierenKlicken Sie mit der linken Maustaste auf ein leeres Feld um an dieser Stelle ein Geschenk zu platzieren.
Geschenk platzierenKlicken Sie mit der linken Maustaste auf ein leeres Feld um an dieser Stelle ein Geschenk zu platzieren.
Geschenk platzierenKlicken Sie mit der linken Maustaste auf ein leeres Feld um an dieser Stelle ein Geschenk zu platzieren.
Geschenke anzeigen
Geschenk wählen
Wählen Sie ein Geschenk

Mit einem Geschenk hinterlassen Sie Ihr persönliches Zeichen in Gedenken an Gabriele Schulz. Veredeln Sie jetzt für 2,99 Euro diese Gedenkseite durch ein Geschenk in Ihrem Namen.