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von Michaela Schuster am 25.02.2014 - 13:33 Uhr | melden
http://www.rp-online.de/nrw/wenn-eltern-um-ihre-kinder-trauern-aid-1.4053059
Wenn Eltern um ihre Kinder trauern
Mönchengladbach. In Mönchengladbach ist ein zweijähriger Junge in einem Gartenteich ertrunken. Für die Familie beginnt mit dem furchtbaren Verlust ein langwieriger Trauerprozess. Experten empfehlen in solchen Fällen, Hilfe anzunehmen. Von Jörg Isringhaus
Wenn ein Kind bei einem Unfall stirbt, werden zwei Lebensprinzipien gebrochen: Das Kind stirbt vor den Eltern, und es stirbt nicht eines natürlichen Todes. Umso schwerer wiegt der Verlust, umso schwieriger lässt er sich bewältigen. Jeder Mensch geht anders mit einem traumatischen Ereignis um, sagt der Essener Psychologe Christian Lüdke. Eltern, die ihre Kinder verloren haben, seien aber in der Regel untröstlich. Deshalb brauchen sie nach Ansicht des Surheimer Internisten und Notarztes Christian Wagner unbedingt therapeutische Hilfe. Wagners eigener Sohn – eines von vier Kindern – ist mit dreieinhalb Jahren nach einem Schwimmunfall ins Wachkoma gefallen und 15 Jahre später gestorben. "Ohne therapeutische Unterstützung hätten wir dies kaum bewältigt", sagt er. "Wer versucht, den Verlust eines Kindes allein durchzustehen, entwickelt meist organische oder psychische Krankheiten."
In Mönchengladbach ist am Dienstag ein knapp zweijähriger Junge in einem Gartenteich ertrunken. Das Unglück ereignete sich auf einem Privatgrundstück. Alle Versuche, das Kind zu reanimieren, blieben erfolglos. Der Junge starb im Krankenhaus. Notarzt Wagner, der jahrelang Gutachten zu ertrunkenen Kindern anfertigte, weiß, dass es in solchen Fällen unter den Partnern oft zu gegenseitigen Schuldzuweisungen kommt. "Die Trennungsrate ist hoch", sagt er. Laut Psychologe Lüdke leiden viele dieser Eltern buchstäblich an gebrochenem Herzen.
Oft ist es auch so, dass jedes Elternteil die Schuld bei sich sucht, obwohl keines von beiden eine Mitschuld am Unglück trägt. Geboren würde dies in der Regel aus der tiefen Verzweiflung über die Situation, sagt Heike Lindner*, Trauerbegleiterin beim Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister in Deutschland (Veid). "Gemeinsame Trauer ist schwierig", erklärt Lindner, die selbst vor zwei Jahren ihren 28-jährigen Sohn verloren hat. Wie ein Mensch versuche, den Verlust zu verarbeiten, hänge von seinem Wesen ab. Manche seien eher introvertiert und würden nicht über ihren Schmerz reden. "Das kann dazu führen, dass ein Partner denkt, der andere trauere nicht genug", sagt Lindner. So würden sich möglicherweise Verwerfungen untereinander ergeben, an denen eine Partnerschaft zerbrechen könne. Das muss aber nicht notwendigerweise so sein. "Es gibt auch Paare, die durch den Tod eines Kindes näher zusammenrücken", sagt die 53-Jährige. Andere bewältigen die Krise und bekommen ein neues Kind, leiden aber an übersteigerter Angst, auch dieses wieder zu verlieren.
Vor allem junge Menschen kommen oft gemeinsam zur Trauerberatung. Der Verband Veid hat es sich zur Aufgabe gemacht, Familien zu helfen, die ein Kind verloren haben. Rund 75 000 Menschen wurden im Jahr 2012 bundesweit betreut. Hilfreich sei zumeist der Austausch mit Gleichgesinnten, erklärt Lindner. "Menschen, die ein Kind verloren haben, wollen immer wieder darüber sprechen." Während das private Umfeld irgendwann zurück wolle zur Normalität, fühle sich in einer Trauergruppe niemand davon bedrängt. Das vermittele den Eltern, die ein Kind verloren haben, mit ihrem Schmerz akzeptiert zu werden. "Von Betroffenen wird man ohne große Worte verstanden. Wenn man selbst untröstlich ist, bringt es ja nichts, wenn andere den Kummer nur wegtrösten wollen", sagt Lindner aus leidvoller Erfahrung.
Aber sie sagt auch etwas anderes: Dass es nichts bringe, die Trauer zu verdrängen. Stattdessen werden betroffene Eltern dazu angehalten, kleine Rituale zu pflegen, etwa Kerzen anzuzünden, zum Grab zu gehen oder Kleinigkeiten für die Kinder herzustellen. "Trauer muss gelebt werden, braucht Raum und Zeit", sagt Lindner. Aus Sicht des Therapeuten Lüdke, der Hinterbliebene der Loveparade-Katastrophe betreut hat, ist es entscheidend, die Trauer zuzulassen. "Trauer ist ein Selbstreinigungsgefühl, dass die Betroffenen sich erlauben müssen", sagt er. Man müsse lernen, das Unglück anzunehmen, zu vergeben und zu verzeihen, um "entschuldigt" zu werden. Dabei helfe häufig eine stabile Person aus dem persönlichem Umfeld, die Hoffnung und Zuversicht vermittele.
Für Lindner ist es auch wichtig, die Eltern in die Bestattung mit einzubeziehen. Selbst wenn es zunächst abwegig klingen mag, würden manche Eltern Wert darauf legen, den Sarg zu bemalen oder bei der Beerdigung zu tragen. "Das gibt ihnen die Möglichkeit, etwas zu gestalten." In der Trauerbegleitung rate man mittlerweile dazu, auch die Geschwisterkinder mit in die Bestattung einzubinden. Die ganze Familie sollte die Gelegenheit bekommen, sich von dem toten Kind zu verabschieden – und es wenn möglich auch noch einmal sehen.
*Name von der Reaktion geändert
Quelle: RP