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von Michaela am 25.01.2016 - 22:06 Uhr | melden
Tagebuch von Tanja
am 31.01.2012
Erinnerung: Du bist heute aus der Intensivstation entlassen worden und verstehst nicht was mit Dir geschieht. Du bist panisch vor Angst und mit der Situation total überfordert. Wir versprechen, Dich keine Minute mehr alleine zu lassen- wir bleiben immer bei Dir rund um die Uhr – Tag und Nacht
am 01.02.2012
Erinnerung: bist Du in die Palliativstation verlegt worden und wir sind dort mit Dir eingezogen
am 02.02.2012
Erinnerung : an Deinen Blick in den Spiegel, als Du Dich ohne Haare zum ersten mal gesehen hast. Deine Augen voll neugieriger Erwartung, dann ein kleines Lächeln das sich zum Strahlen entwickelte.
Das Gesicht eines Engels in voller Schönheit.
Du hast Dich so angenommen.
am 03.02.2012
Erinnerung: Schlimme Nacht, großer starker Lebenswille
am 04.02.2012
Erinnerung: Kraftsammeln für Deinen Geburtstag, langsam erholst Du Dich wieder- Dein starker Wille ist deutlich spürbar.
am 05.02.2012
Erinnerung: Deine Geburtstagsfeier im Wintergarten der Palliativstation. Alle waren da,-auch enge Freunde feierten mit. Du hast es genossen und Dich sehr gefreut.
am 06.02.2012
Erinnerung: Deine körperliche und seelische Verfassung wird zusehend besser. Du geniest es, dass rund um die Uhr Deine Familie da ist, Dich versorgt, behütet und beschützt. Du fühlst Dich geliebt und geborgen. Und unsere Liebe zu Dir ist bedingungslos.
am 07.02.2012
Erinnerung: Obwohl Du nicht sprechen kannst gibt es zwischen uns keine Verständigungsprobleme. Deine Mimik und Deine Gesten drücken Freude,Schmerz, Ungeduld und manchmal eine gewisse Komik aus über die wir oft lachen.
Wir lesen Dir buchstäblich jeden Wunsch von den Augen ab.
am 8.2.2012
Erinnerung: Dein gesundheitlicher Zustand wird immer stabiler. Du schläfst auch nicht mehr so viel und bist sehr wachsam. Du bekommst, wenn Du abgesaugt werden musst auch nicht mehr diese große Panik und lässt alles ruhig über Dich ergehen.
Auch wir können mit der Situation schon gut umgehen.
Abends kommt regelmäßig Besuch und auch Michl kommt immer wieder vorbei . Es ist fast wie im Wohnzimmer zuhause und eine heitere Stimmung.
am 09.02.2013
Erinnerung: Du fühlst Dich in der Palliativstation gut aufgehoben. Dein Vertrauen zum Stationsarzt wächst. Er möchte Dir den Sonden- Schlauch in den Bauch verlegen und Dir eine Sprachmembrane einsetzten. Wir alle spüren Deine Angst vor dieser OP und versuchen Dir diese zu nehmen und Dich stark zu machen.
Du nimmst am Leben immer mehr teil und es ist wunderbar Dich so zu sehen.
am 10.02.2012
Erinnerung: Der Winter hält uns fest im Griff, es ist sehr kalt und es fällt viel Schnee. Manchmal müssen wir uns den Weg zu Dir buchstäblich freischaufeln. Aber nichts und niemand kann uns aufhalten zu Dir zu kommen. Wir haben zwischenzeitlich einen 24- Std. Betreuungsplan, wir sprechen uns tägl. neu ab und wir können uns blind aufeinander verlassen. Oft ist es schwer, das Leben draußen und das Leben auf der Palliativstation miteinander zu verbinden. Aber gemeinsam sind wir stark.
am 11.02.2012
Erinnerung: Es wird ernst, die OP ist geplant, Du hast Deine Ängste nicht ganz abgelegt, aber Du vertraust und bist bereit.
am 12.02.2012
Erinnerung: Der Eingriff verlief gut, als Du ausgeschlafen hast, kommt die Schwester und will Dich aufsetzen. Du runzelst bös blickend Deine Stirn und sagst:" Lass mich, ich kann das alleine!"
Tanja - wir können Dich hören.
Du bist so erstaunt, schaust uns mit großen Augen an und kannst es kaum glauben.
Wir können miteinander sprechen und das nach über 6 Wochen.
am 13.02.2012
Erinnerung: Es ist so schön, mit Dir zu reden. Wir fragen Dich, ob Du ab und zu mal alleine sein möchtest.
Wir sagen, schick uns einfach weg, wenn wir Dir zu viel sind.
Es passiert nie.- Du brauchst unsere Gegenwart.
am 14.02.2012
Erinnerung: Du versuchst langsam wieder flüssige Nahrung zu Dir zu nehmen und möchtest wieder selbständiger zu werden.
Es ist immer ein gewaltiger Kraftakt für Dich, aber Dein starker Wille ist ungebrochen und spornt Dich zur Höchstleistung an.
am 15.02.2012
Erinnerung: Heute Nacht wolltest Du alleine aufstehen und bist böse gestürzt. Du hast Dir eine große Platzwunde und mehrere kleine Abschürfungen am Kopf zugezogen. Die Platzwunde wurde genäht.
Der Schreck war groß und Du nimmst es mit Gelassenheit, machst noch Witze darüber und lachst über Dich selbst, als Deine Stirn bunte Farben annimmt.
am 16.02.2012
Erinnerung: Manchmal schläfst Du tagsüber viel und bist nachts munter. Wir sitzen an Deinem Bett, halten Deine Hand, bewachen Deinen Schlaf und versuchen jeden noch so kleinen Wunsch den Du hast zu ermöglichen.
Deine Stimmung ist gut und Du jammerst nie, beklagst Dich nicht.
Du fängst an die Zeit zu regeln wo Du nicht mehr auf Erden sein wirst.
Dennoch erkämpfst Du Dir jeden Tag aufs Neue
am 17.02.2012
Erinnerung: Leider wuchert die Krebsgeschwulst immer weiter und breitet sich in Deinem geschundenen Körper immer mehr aus. Dein Zustand verschlechtert sich und Du weißt, dass Du nicht mehr lange in unserer Mitte verweilen kannst. Du fängst an Dich zu verabschieden und sprichst von "Heimkehr". Du entschuldigst Dich und bittest uns, dass wir Dir nicht böse sein sollen.
Du sprichst, regelst und bereinigst noch so viel .gibst uns noch einiges für Die Zukunft mit.
am 18.02.2012
Erinnerung: Die Schmerzmittel müssen wieder erhöht werden, Deine Nierenwege sind blockiert und uns blutet das Herz immer mehr.
In Gedanken machst Du einen Spaziergang durch die Zeit und erzählst uns davon
am 19.02.2012
Erinnerung: Es geht immer mehr bergab. Du bist so unruhig und entwickelst den Drang alles zu putzen. Wir können Dich keine Sekunde aus den Augen lassen.
Nachts sind jetzt immer Zwei aus unserer Familie bei Dir da.
Es ist traurig Dich so zu sehen
am 20.02.2012
Erinnerung: Wir können es spüren, wir können es sehen, wir können nur eines tun - bei Dir sein, Deine Hand halten und versuchen Dir durch unsere Liebe die Angst zu nehmen.
am 21.02.2012
Erinnerung: Die Tür in eine andere Welt steht für Dich weit offen, Du musst nur noch hindurch gehen.
Du hast drei Wünsche, die wir Dir erfüllen sollen.
Die Trachealkanülen sollen nach Deinem Fortgang entfernt werden und ein schönes Halstuch soll die Wunde verdecken.
Du möchtest, dass Dir ein weißes Hemd angezogen wird.
Das große Bild, mit allen Familienmitgliedern, welches Dich seit der Intensivstation begleitet- soll Dir als Zudecke dienen.
am 22.02.2012
Erinnerung: Jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde ist ein bleibender Abschied. Deine Koffer sind gepackt. Du wirst immer schwächer, kannst kaum noch reden.
am 23.02.2012
Erinnerung: Es wird still im Raum. Wir sprechen nur das notwendigste und bewegen uns ganz vorsichtig und vermeiden jedes noch kleine Geräusch
.
Wir bereiten uns auf das Loslassen vor -jeder für sich.
Die Kraft dazu gibt uns die unermessliche Liebe zu dir.
Wir wissen, dass es Dir schwer fällt zu gehen wir spüren Deinen Abschieds-Schmerz . Keine Angst, wir begleiten Dich und wir sind bei Dir.
am 24.02.2012
Erinnerung: Wir sind alle da bei Dir und wissen es ist soweit.
Pater Leodegard gibt Dir die Krankensalbung und wir beten mit ihm.
Du wehrst Dich noch einmal heftig gegen Dein Sterben, doch dann geht Dir die Kraft aus.
Dein Vater und Deine Mutter wischen Dir je eine Träne aus Deinen Augen, es ist Dein letzter Gruß an sie.
Du hauchst Deinen Atem aus an der Hand Deiner Schwester, der Du am meisten anvertraut hast.
Tränen und Trauer erfüllen den Raum.
Es bricht uns fast das Herz und zerreißt uns vor Schmerz als Dein Sohn zum letzen Mal zärtlich von Dir Abschied nimmt.
Wir stehen um Dein Bett und beten gemeinsam. Wir verabschieden uns endgültig.
Was bleibt ist eine große innerliche Leere.
Aber was auch bleibt ist das Gefühl der übergroßen Liebe die wir für Dich empfinden und diese Liebe nehmen wir unser Leben lang mit.
Eine Kerze des Dankes - dass es dich gab
Eine Kerze der Trauer - an deinem Grab
Eine Kerze der Freude - für die Jahre mit dir
Eine Kerze der Hoffnung - an die glauben wir
Eine Kerze des Schmerzes - du fehlst uns so sehr
Eine Kerze der Gewissheit- denn dein Platz bleibt leer