Yagmur XXXX

Yagmur
XXXX


Hamburg Bergedorf
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18.12.2013
Hamburg Mümmelmannsberg

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ZurückAus dem Kondolenzbuch: Yagmur: Chronologie des Versagens

von Beate am 28.09.2015 - 12:25 Uhr | melden

9. Oktober 2010: Geburt
Yagmur kommt zur Welt.
Ihre Eltern sind Melek und Hüseyin Y. Die Mutter fühlt sich überfordert, das Kind kommt wenige Tage nach der Geburt zu einer Pflegemutter. Die Eltern behalten das Sorgerecht, dürfen das Kind besuchen. Sie machen immer klar, dass sie das Mädchen zurückhaben wollen, wenn sich ihre Situation stabilisiert hat.

Januar 2013: Krankenhausaufenthalt
Yagmur ist zum wiederholten Mal im Krankenhaus, diesmal mit einer lebensgefährlichen Schädelverletzung. Eine Rechtsmedizinerin erstattet Strafanzeige wegen des Verdachts auf Kindesmisshandlung.

Februar 2013: Im Kinderschutzhaus
Das Mädchen wird in einem Kinderschutzhaus untergebracht. Denn es ist unklar, ob die leiblichen Eltern oder die Pflegemutter für die Verletzungen verantwortlich sind. Das Jugendamt Eimsbüttel leitet ein Verfahren beim Familiengericht ein, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Das Paar bestreitet, seinem Kind etwas angetan zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Mai 2013: Behördenpannen
Das Jugendamt erreicht ein Schreiben der Pflegemutter, in dem diese angibt, möglicherweise für die Verletzungen Yagmurs verantwortlich zu sein. Laut Prüfbericht der Jugendhilfeinspektion wertet das die zuständige Mitarbeiterin in einer Beratung mit Kollegen als Entlastung für die leiblichen Eltern. Umgehend wird entschieden, ihnen das Kind wieder zu geben - obwohl die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen hat.

Juli 2013: Umzug der Familie
Das Jugendamt Mitte übernimmt die Zuständigkeit, weil die Familie umgezogen ist. Nach Angaben der Jugendhilfeinspektion erfolgt eine schlechte Übergabe. Die zuständige Mitarbeiterin erkrankt kurz darauf. Mit dem Fall hat nun eine unerfahrene Kollegin zu tun, die erst seit wenigen Wochen beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) im Jugendamt arbeitet.

August 2013: zurück bei leiblichen Eltern
Yagmur wohnt jetzt bei ihren leiblichen Eltern. Die Behörden haben nur noch wenig Kontakt zu der Familie.

Oktober 2013: Befund der Rechtsmedizin
Auf eine Nachfrage der Staatsanwaltschaft erklärt der Rechtsmediziner, die Schilderungen der Pflegemutter passten nicht zu den Verletzungen des Mädchens

November 2013: weitere Behördenpanne
Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen gegen die leiblichen Eltern und die Pflegemutter ein, weil nicht geklärt werden kann, wer der Täter ist. Das entsprechende Schreiben an das Jugendamt wird dort nach Ermittlungen der Jugendhilfeinspektion nicht richtig ausgewertet.

18. Dezember 2013: Yagmurs Tod
Yagmur verblutet in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg-Billstedt nach einem Leberriss innerlich. Bei der Obduktion werden zudem mehr als 80 Hämatome und Quetschungen sowie ein schlecht verheilter Bruch des Unterarms festgestellt. Vater und Mutter kommen in Untersuchungshaft. Der 25-Jährige ist der Hauptverdächtige.

6. März 2014: Untersuchungsausschuss
Ein Untersuchungsausschuss der Hamburgische Bürgerschaft nimmt seine Arbeit auf.

9. April 2014
Die Staatsanwaltschaft erhebt Mordanklage gegen die Mutter. Dem Vater wird nur noch vorgeworfen, seinem Kind nicht geholfen zu haben.

13. Mai 2014: Eröffnung der Hauptverhandlung
Das Landgericht Hamburg lässt das Verfahren zur Hauptverhandlung zu.

11. Juni 2014: Prozessbeginn
Der Prozess gegen die Eltern beginnt.

25. November 2014: Urteil
Die Eltern der getöteten Yagmur beschuldigen sich gegenseitig, für den Tod der Dreijährigen verantwortlich zu sein. Das Landgericht Hamburg hat nun die Mutter wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihre Reaktion war bezeichnend.

Melek Y. wollte Kinderkrankenschwester werden. Das vertraute sie dem Sachverständigen an, der im Prozess gegen sie ein Gutachten zu ihrer Schuldfähigkeit erstellte. Sie wollte Kindern helfen. Sie betreuen, behüten, vielleicht sogar bemuttern.

Nun hat das Landgericht Hamburg die 27-Jährige zu lebenslanger Haft verurteilt - wegen Mordes an ihrer Tochter Yagmur. Melek Y. soll die Dreijährige monatelang gequält und geprügelt haben, bis sie in der elterlichen Wohnung starb.

Regungslos nahm Melek Y. das Urteil auf. So regungslos wie sie vor Ärzten reagiert hatte, die bei Yagmur eine lebensgefährliche Hirnverletzung diagnostiziert hatten. Und fast ebenso regungslos, als sechs Tage vor Weihnachten, morgens um 6.17 Uhr, der Tod ihrer Tochter festgestellt wurde. Melek Y. "weinte ein bisschen" und sei zum Rauchen auf den Balkon getreten, gab die Notärztin später zu Protokoll. Auch während der Reanimierungsversuche sei "keine emotionale Bestürzung" bei der Mutter erkennbar gewesen.

Der Vorsitzende Richter Joachim Bülter formuliert es am Dienstag in Saal 237 des Landgerichts Hamburg noch drastischer: "Melek Y. stand dem Tod Yagmurs gleichgültig gegenüber." Fast zweieinhalb Stunden begründet er das Urteil der Kammer, die davon überzeugt ist, dass nur Melek Y. das Kind misshandelt hat. Niemand sonst.

"Sie fühlte sich durch Yagmur eingeengt"
Am 18. Dezember vergangenen Jahres soll Melek Y. "hasserfüllt gegen den Kopf und den Bauch" ihrer Tochter geschlagen haben, bis deren Gesamtorganismus versagte. Anschließend soll sie die Dreijährige dick angezogen, die Verletzungen überschminkt und sie mit dem Rücken auf den Boden gelegt haben. Erst dann informierte sie ihren Ehemann, nicht den Rettungsdienst.
Melek Y. habe ihre Tochter für ihr gescheitertes Leben ohne Schulabschluss und Ausbildung und für ihre zerrüttete Ehe verantwortlich gemacht, resümiert Richter Bülter. "Sie fühlte sich durch Yagmur eingeengt und in ihrer Freiheit beschnitten." Hinzu sei gekommen, dass das Mädchen optisch ihrem Vater stark ähnelte, was den Hass der Mutter geschürt habe.
"Melek Y. trat, boxte, schlug gegen Yagmur, schüttelte und packte sie", so Bülter. Oft mit der Faust auf den Kopf und in den Bauch. Die Gerichtsmediziner zählten bei der toten Dreijährigen 83 schwere Verletzungen. Neben all diesen körperlichen Wunden habe Yagmur in ständiger Angst vor den Gewaltausbrüchen ihrer Mutter leben müssen.

Die Fehler der Behörden
Das Verfahren sei für das Gericht "noch stärker bedrückend und belastend gewesen als andere Prozesse", so der Vorsitzende, "immer vor Augen, in welchem Ausmaß Yagmur gelitten hat". Bedrückend sei aber auch die Erkenntnis der zahlreichen Versäumnisse, Fehlentscheidungen und Nachlässigkeiten der Behörden, die zum tragischen Tod Yagmurs geführt hätten.

Melek Y. hatte ihre Tochter direkt nach der Geburt in eine Pflegefamilie gegeben, sie aber wöchentlich für einen Besuch abgeholt. Yagmur kehrte bald mit Schrammen und Blutergüssen zurück, die Pflegemutter stellte Melek Y. zur Rede, die verlor sich in Erklärungen. So die Ansicht der Kammer.
Yagmur wehrte sich, wollte nicht von ihren Eltern abgeholt werden, klammerte sich an ihre Pflegemutter. Als das Kind Anfang Januar 2013 mit einer Pankreatitis, einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse, ins Krankenhaus kam, werteten das die Behörden als psychische Stresssituation: Yagmur belaste das Leben in zwei Familien. Es sei besser, wenn sie "dauerhaft bei ihren Eltern" wohne. Noch in der Klinik musste sich die Pflegemutter von dem Mädchen verabschieden.
Wenige Wochen darauf wurde Yagmur mit der lebensbedrohlichen Hirnverletzung eingewiesen, bei der einer Ärztin die Gefühlskälte der Mutter auffiel. Sie erstattete Strafanzeige wegen Kindesmisshandlung, Yagmur kam in ein Kinderschutzhaus. Später vermutete die Pflegemutter des Kindes, sie selbst sei möglicherweise für die Verletzung verantwortlich, obwohl sie vor Yagmurs Einweisung in die Klinik wochenlang keinen Kontakt mit ihr hatte. Für Yagmurs Eltern jedenfalls wirkte dies entlastend. Melek Y. durfte im August 2013 ihr Kind zu sich holen.

Das Mitgefühl des Richters
Hüseyin Y., Yagmurs Vater, wurde nun vom Gericht zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt - wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der 26-Jährige seine Tochter misshandelt habe. Vielmehr sei er liebevoll und fürsorglich mit ihr umgegangen, aber: "Er überließ seine Tochter seiner hochaggressiven Frau."
Hüseyin Y. verhält sich am Tag des Urteils so wie er es in seiner zerrütteten Ehe wohl oft tat: Er schweigt. Der Richter zeigt Mitgefühl mit dem jungen Mann, der ohne familiäres Leitbild bei seinen Großeltern aufwuchs und in die Ehe mit Melek Y. regelrecht geschubst wurde. Nach seinem Vortrag wartet er, bis die Zuschauer den Saal verlassen haben, schaltet sein Mikrofon ab und wendet sich dem Verurteilten zu: Hüseyin Y. könne in der Haft einen Schulabschluss nachholen. Als Erstverbüßer werde er wohl im Herbst 2016 schon entlassen. "Das ist doch schon mal eine Perspektive", sagt Bülter und lächelt den 26-Jährigen aufbauend an. Hüseyin Y. nickt und dreht sich um.
Spätestens ab Oktober muss er nach Ansicht des Gerichts gewusst haben, dass Yagmur unter ihrer eigenen Mutter in Lebensgefahr war. Das belegen vor allem Nachrichten, die sich die Eltern via WhatsApp geschickt haben, und aus denen der Vorsitzende in der Urteilsbegründung zitierte. Sie zeigen auf erschütternde Weise, wie gewalttätig, aufbrausend und bedrohend Melek Y. Ist.
Sie selbst wuchs behütet auf. Sie sei verwöhnt worden, beschrieb Melek Y. ihre Kindheit im Gespräch mit dem Gutachter. Ihre Eltern hätten sie geliebt, ihre drei älteren Schwestern führten ein anständiges Leben. Eine von ihnen arbeitet in einem Jugendamt. Sie selbst sei das "schwarze Schaf" der Familie gewesen, sagte Melek Y. Ihren Vornamen haben ihre Eltern ausgewählt in der Hoffnung, auch sie würde ein beschützendes Leben führen. Melek bedeutet im Türkischen: Engel.

28. November 2014: Revision
Im Fall des zu Tode gequälten Mädchens Yagmur gehen sowohl Anklage als auch Verteidigung gegen das Urteil gegen die Mutter vor. Ziel einer Revision sei, dass die besondere Schwere der Schuld festgestellt werde, begründete die Staatsanwaltschaft ihre Entscheidung. Damit wäre eine Entlassung nach der Mindesthaftzeit von 15 Jahren ausgeschlossen. Auch die Verteidigung kündigte Revision an.

Der Vater der zu Tode misshandelten kleinen Yagmur aus Hamburg will seine Verurteilung zu einer Haftstrafe nicht anfechten. Sein Mandant nehme die Strafe von viereinhalb Jahren Haft an, sagte der Verteidiger Carsten Kerschies. "Er möchte zur Ruhe kommen." Der Vater des Mädchens war der Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen schuldig gesprochen worden.

Beate
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Geschenk Am 13.12.2015 von Oliver Schmid angelegt.
Geschenk Am 12.07.2015 von Oliver Schmid angelegt.
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