Hans Oslansky

Hans
Oslansky

15.04.1944
 
-
24.08.2021
 

stimmungsbild

Gedenkseite für Ossi Oslansky

Wie fasst man ein ganzes Leben in wenigen Minuten zusammen? Wie bringt man es halbwegs in eine Chronologie, wo mein Vater doch viele unterschiedliche Interessen für teils sehr lange Zeit hatte Und zwar möglichst so, dass mein Vater nicht sarkastisch anmerken würde: "Ich könnte Dir noch sekundenlang zuhören"?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es uns allen wichtig ist, das Leben meines Vaters Revue passieren zu lassen.

Und so beginne ich ganz am Anfang.
Hans, wie ihn seine Eltern nannten, wurde während eines Fronturlaubs 1943 gezeugt und kam ein Jahr vor Kriegsende zur Welt. Damit verbrachte mein Vater sein erstes Lebensjahr unter Umständen, die nicht lebensfeindlicher hätten sein können. Aber auch nach Kriegsende war die unmittelbare Gefahr auf das junge Leben nur unmerklich geringer geworden und manifestierte sich für meinen Vater in einer engen Bindung zu seiner Mutter und seiner Großmutter.

Über die Besatzungsjahre verlor mein Vater selbst auf Nachfragen kaum Worte, außer dass der Staatsvertrag schon ein ganz schönes "Trara" gewesen sei und dass die Besatzungsmächte etwas Fremdes und gleichzeitig nach Freiheit Klingendes mitbrachten. Damals hörte er zum ersten Mal Dixieland-Jazz! Allerdings muss man gestehen, dass es bis zu den 60igern dauern sollte bis er diese Musik auch tatsächlich lieben lernte. Denn bis in die frühen Teenager-Jahre fand er noch Faserschmeichler wie Pat Boone interessanter. Nun ja, auch musikalische Findungswege sind nicht immer geradlinig. Dafür gewann die lebendige Dixieland-Musik danach umso rascher an Reiz.

Und so wurde während der Gymnasiumszeit in der Maroltingergasse schnell die eine oder andere Band gegründet, wobei anfänglich kaum jemand sein Instrument wirklich profund beherrschte. Es war viel mehr die Freude am autodidaktischen, gemeinsamen Musizieren. So war es nicht verwunderlich, dass ein fehlendes Schlagzeug schon mal durch einen Harmonika-Koffer ersetzt werden musste und mein Vater anfänglich diverseste Instrumente spielte. Er konnte sich rasch in ein Instrument einfühlen und ergänzte oft jene, die in der Besetzung gerade fehlten. Die Instrumente, die mein Vater spielte, reichten von Kontrabass, Klarinette, Sopran- bzw. Tenorsaxophon bis zur Tuba bevor er seine eigentliche Leidenschaft in einer günstig erstandenen Posaune fand.

Beide seiner Elternteile mussten arbeiten gehen und mein Vater war dadurch ein sogenanntes „Schlüsselkind“. Etwas, das seine Vorstellung für das Umfeld der eigenen Kinder später extrem prägte. Für ihn bedeutete das aber auch, dass genug Freiheit zum Musikmachen vorhanden war. Wenn die Eltern nicht da waren, fand man sich schnell in der einen oder anderen Wohnung zum Musizieren zusammen.

War jedoch sein Vater zuhause, war das nicht so leicht möglich. Die Strenge meines Großvaters, aus dessen Sicht man sich ja durch Disziplin und Fleiß etwas erarbeiten musste, war für meinen Vater aber genauso prägend. Denn sie steigerte in weiterer Folge die Ambition aus blind vorgegebenen Werten bewusst auszubrechen.

Und so kam es für den damals 16-jährigen mehr als willkommen, als sein Onkel in Klosterneuburg zu bauen begann und jede helfende Hand der Familie brauchen konnte. Auf diese Weise verbrachte mein Vater einen Großteil seiner Ferien und der Wochenenden außerhalb des Elternhauses in „Klo-burg“, wie er es auch gerne nannte. Dort fand er erste Freiheiten und Bestätigung außerhalb des Elternhauses, entdeckte dadurch seine Freude am Handwerklichen und besserte sich nebenbei ein Wenig das Taschengeld auf.

Als sich seine Schulzeit dem Ende zuneigte diskutierte man in der damals üblichen kritischen Haltung gerne über gesellschaftliche Konventionen. Nicht zufällig schrieb ein Schulkollege damals das Lied "I bin ja nur a depperter Maturant. Hab a gstempeltes Papierl in der Hand".

Aber auch die Politik versuchte die gesellschaftskritischen Jugendlichen für sich zu gewinnen und so gab es jede Menge Angebote für Jugendliche wie z.B. den VSM, den Verein sozialistischer Mittelschüler.

Ebendort warb einmal ein gewisser Heinz Fischer als Gastredner um Interesse für das in Aufbau befindliche Bundesamt für Zivilluftfahrt. Eine Beamtenkarriere - aber im Umfeld der jungen und hippen Luftfahrtindustrie – schien wirklich interessant. Und so reichte mein Vater einen Tag später seine Bewerbung ein und wurde schlussendlich aufgenommen. Damit war sein Beruf gewählt, den er bis zu seiner Pensionierung ausübte - er wurde Fluglotse!

Außerdem galt es in dieser Zeit, sich der Gestaltung des eigenen Lebensstils zu widmen.
Während die Vorgeneration sich mit Schrebergärten und Wochenendhäusern etwas aufzubauen versuchte, verspürte er wenig Lust sich aufgrund gesellschaftlicher Konventionen festzulegen - getreu dem von ihm gerne zitierten Motto „Besitz macht unfrei“.

Aber unterschiedliche Interessen hatte er genug:

Musikalisch ging die Reise weiter und der Kreis der Mitmusiker wuchs stetig. Und so lernte mein Vater im Alter von 18 Jahren schließlich einen jungen Gitarristen kennen, der wiederum seine kleine Schwester im Schlepptau hatte. Außerdem hatte dieser die Aufgabe, seine Schwester auch pünktlich am Abend nach Hause zu bringen. Man kann es aus heutiger Sicht als Glücksfall bezeichnen, dass der Gitarrist nicht so früh nach Hause gehen wollte und in meinem Vater einen willigen Ersatz für den Begleiter der noch recht jungen Dame fand. Denn das besagte Mädchen war meine Mutter und die Bereitschaft meines Vaters leicht erklärt: Er hatte sich in die junge Dame verliebt.

Und diese Verbindung hatte noch eine weitere Auswirkung, diesmal jedoch wieder eine musikalische:
Mein Vater gründete u.a. mit meinem Onkel die Blue Note 7, und rasch hatten sie erfolgreiche Auftritte. Mit dem musikalischen Aufstieg drehte sich aber auch das Karussell der Bandmitglieder immer schneller. Zwar war mein Vater ein beständiges Bandmitglied in den ersten 8 Jahren, wurde aber schließlich im Jahr 1974 selbst ersetzt. Aber das hatte absolut keine nachteilige Auswirkung auf die Freude mit der er weiterhin Dixieland-Musik machte, im Gegenteil - er genoss die alleinige Freude am Musikmachen ohne Erfolgsdruck.

Und noch etwas hatte es ihm in den späten 60er und den 70ern angetan: Das Automobil!

Das war für meinen Vater jedoch kein Status-Symbol, sondern eine Mischung aus Spaßfaktor und angewandter Technik. Und so trat er dem Motorsportclub „Enzian“ bei, fuhr regelmäßig Autoslaloms und auch ab und zu Rallye. Dazwischen „zangelte“ er – wie er es nannte - an den Autos herum. Und die kleine Garage der Familie Breth bot ein ideales Umfeld dafür. Erst die zusätzliche Zeit, die er ab Ende der 70er der Familie widmen wollte, ließ ihn dieses Hobby - auch aus Vernunft - an den Nagel hängen.

1967 heiratete er im Alter von 23 Jahren schließlich meine Mutter und sie zogen Ende der 60er Jahre nach Siebenhirten. Meine Eltern wollten eine Familie gründen und der Stadtrand erschien ihnen als besseres Umfeld als die Häuserschluchten in den Gürtelbezirken. Und am Stadtrand genossen Sie die Distanz von den Eltern und die eigene Freiheit.

Aber es hatte auch einen tragischen Grund, warum das Leben Anfang der 70er genossen werden musste:
Das Schicksal hielt nämlich 1969 etwas für meinen Vater bereit, dass ihn beinahe sein Leben kostete. Mein Vater war gerade mit der „Porzellan-Fuhr“ wie er das nannte, nämlich Mutter, Schwiegermutter und Großmutter unterwegs, als es von ihm unverschuldet zu einem schweren Unfall kam. Wie er es selbst beschrieb, stieg mein Vater dabei "durch das geschlossene Seitenfenster" aus und um ihn zu bergen, musste zuerst sein eigenes Auto, das auf ihm gelandet war, entfernt werden. Aber wie durch ein Wunder überlebt er, wenngleich mit etlichen schweren Verletzungen - unter anderem im Gesicht.

Die Wunden heilten, aber das Aussehen meines Vaters war im Alter von 25 plötzlich ein ganz anderes. Die aufgrund mehrerer Brüche veränderte Nase wurde ab diesem Zeitpunkt ebenso zu seinem Markenzeichen wie auch der Bart, den er sich bewusst wachsen ließ. Aber wie er selber sagte, er hatte bei dem Unfall wohl einen Schutzengel gehabt.

Die 70er Jahre wären überhaupt für meinen Papa in vielerlei Hinsicht familiär prägende Jahre.
1972 kam schließlich ich zur Welt, 2 Jahre später folgte meine Schwester, womit die Jungfamilie komplett war.

Durch den Schichtdienst und den Tausch von Diensten konnte er die Möglichkeiten mit der Familie Urlaub zu machen durchaus optimieren, was wir alle sehr genossen.

Ab 1976 fuhren wir recht oft auf den Bauernhof der Familie Böhm in Strallegg, wo wir schon bald mehr als Teil der Familie denn als "Wiener Touristen" gesehen wurden. Außerdem kam dadurch eine zusätzliche musikalische Leidenschaft für meinen Vater dazu: Die Volksmusik. Und mein Vater nahm daran mit der Knopferlharmonika, dem Bassflügelhorn oder mit liebevoll selbst gebauten Teufelsgeigen teil. Und so war es nicht verwunderlich, dass meine Eltern viele Jahrzehnte regelmäßig nach Strallegg fuhren.

Außerdem holten meine Eltern im Erwachsenen-Alter etwas nach, das Ihnen zu Kindeszeiten verwehrt geblieben war: Sie lernten Skifahren und ab 1977 wurde oft mehrmals pro Jahr Skiurlaub auf der Wurzeralm in Spital/Phyrn gemacht.
Die Natur, die angenehme Runde aus befreundeten Arbeitskollegen nebst deren Familien und die Atmosphäre im Berghotel Hengl machten die Skiurlaube für meinen Vater wie auch für uns alle zu prägenden Erinnerungen.

Doch auch die 70er hielten leider wieder Negatives für meinen Vater bereit - speziell im Jahr 1978. In diesem Jahr starb unter anderem seine Mutter, zu der er eine sehr starke Bindung hatte. All die Ereignisse im Jahr 78 und danach stellten meinen Vater seelisch und innerfamiliär vor so manche Herausforderung. Aber auch diese meisterte er mit einem klaren Bekenntnis zu seiner eigenen Familie und mit der notwendigen Disziplin.

Die 1980er waren ja allgemein für modische Eskapaden bekannt. Nicht so für meinen Vater, denn der hatte damals schon längst seinen bevorzugten Stil gefunden: locker, leger, aber immer gepflegt. Gern trug er Jeans und dazu Socken und Oberbekleidung der gleichen Farbe - gelbes T-Shirt, gelbe Socken, rote Jacke, rote Socken…. Diesem Stil ist er bis zuletzt treu geblieben.

Außerdem kam Mitte der 80er wieder etwas Neues hinzu, das für lange Zeit sein Leben sehr prägen würde: Das Segeln. Inspiriert von einigen Arbeitskollegen, die selbst Boote am Neusiedlersee hatten, machten meine Eltern den Segelschein auf der alten Donau. Schnell war die Lust auf Segelurlaube geweckt und 1987 kaufte mein Vater schließlich unser erstes Segelboot. Nach längeren Überlegungen bekam der „Erzwertz“, wie das Boot getauft wurde, im Yachtclub Breitenbrunn seinen Liegeplatz. Zwar galt der Yachtclub damals als verzopft, aber just in diesem Jahr hatte man im letzten Eck des Hafenbeckens einen neuen Steg fertiggestellt und viele Segelkollegen aus dem Gemeindehafen wechselten ebenfalls in den Yachtclub. So bildete man die "Wüden vom 5er Steg". Und mein Vater genoss diese Zeit, denn auch Segeln war wieder eine neue Art von Freiheit für ihn. Er erweiterte seine Segelkenntnisse mit dem B-Schein und machte in weiterer Folge viele Segelturns im Mittelmeer und darüber hinaus. Doch auch die Bequemlichkeit durfte beim Segeln nicht zu kurz kommen: Und deshalb erwarben meine Eltern in den 90ern eine Kabane direkt im Yachtclub, sodass sie nicht immer am Schiff übernachten mussten.

Damit war das Leben Ende der 90er fast schon zu ideal. Die Kinder längst außer Haus und in stabilen Verhältnissen, eigenes Segelboot, Unterkunft im Yachtclub, genug Zeit zum Urlauben und musikalisch war mein Vater nach wie vor in den unterschiedlichsten Bands sehr engagiert. Außerdem durfte er ab dem Jahr 1999 in Firmenpension gehen, ehe er mit 60 seine eigentliche Pension antrat. Somit war er auch von dem zwar erfüllenden aber auch anstrengenden Beruf befreit.

Meine Eltern erfüllten sich durch die gewonnene Freizeit viele Reisewünsche, die sie zu schönen und auch interessanten Orten der ganzen Welt führte. Ja, man genoss das Leben in vollen Zügen.

Als im Jahr 2005 unser Sohn Linus und 2006 mein Neffe Felix zur Welt kamen, wurde mein Vater 2-facher Opa. Ob es um Rumtollen in der Wohnung, Baden im Neusiedlersee oder Schachspielen ging, der Opa nahm seine Opa-Pflichten gerne wahr.

Doch viel zu schnell vergeht die schöne Zeit, vor allem wenn man Zeit hat, diese zu genießen.
Wie er es selbst ausdrückte kamen mit diversen Verlusten die „Einschläge langsam näher“ und auch bei ihm selbst stellten sich - von ihm als erste "Reparatur- und Sanierungsarbeiten" bezeichnet - notwendige medizinische Eingriffe ein.

Ein paar Monate nach dem Beginn der Pandemie kam schließlich die niederschmetternde Diagnose. Krebs im palliativen Stadium - also nichts mehr zu machen, alles nur mehr eine Frage der Zeit. Und in seinem Fall sollten es 14 Monate werden, deutlich mehr als die Ärzte im Mittel angegeben hatten. Ja, er hielt sich tapfer.

Aber auch wenn sich mein Vater sicherlich den einen oder anderen Tag über seine Situation ärgerte, so ergoss er sich nicht in Selbstmitleid oder klagte lautstark. Er wollte auch keine Dinge in der verbleibenden Zeit nachholen, denn er hatte sein Leben gelebt. Er hatte keinen Grund etwas nachzuholen zu müssen.

Das einzige was uns daher blieb, war ihm Zeit zu schenken und ihm ein Lächeln in sein Gesicht zu zaubern mit der einen oder anderen Anekdote aus seinem Leben, an die er sich wachen Verstandes nach wie vor extrem genau erinnerte.

Und auch wenn sein Weg hier bei uns am 24.8.2021 endgültig geendet hat: er konnte ihn zuhause abschließen, im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte – so wie er das wollte.

Seit seiner Diagnose hatten wir über ein Jahr Zeit, uns auf diesen Zeitpunkt vorzubereiten. Trotzdem kam er für uns alle überraschend und schmerzlich.

Und so sind wir heute hier zusammengekommen, um in vollem Bewusstsein festzustellen und zu bekunden, dass wir ihn vermissen werden.

Geschenk Am 24.08.2022 angelegt.
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