Theresia Remiorz

Theresia
Remiorz

16.06.1907
Wuttrienen
-
16.04.1997
Gladbeck

stimmungsbild
ZurückEine brennende Kerze: Kerze lila geschwungen
Aschermittwoch

Von Andreas Steinhardt 22.02.2023 um 22:53 Uhr | melden

Zur Gedenkkerze ein Gedicht von Clara Müller-Jahnke.

Sind Sie froh das der ganze Faschingsspuk nun erst einmal vorbei ist? Oder trauern Sie der närrischen Zeit nach? Ich durchaus. Meine Großmutter Theresia mochte auch den Karneval, ich erinnere mich, wie ich als Kind zusammen mit den Großeltern die großen Fernsehsitzungen schaute, wir viel Spaß hatten, auch wenn ich noch nicht jede Büttenrede verstehen konnte.

Am Rosenmontag war ich nach der coronabedingten Auszeit wieder bei einem großen Karnevalsumzug, es gefiel mir sehr gut. Wann sah ich zuletzt in solch fröhliche Gesichter? Wildfremde Menschen grüßten mich, riefen mir Helau! zu, vielleicht haben wir uns das verdient, nach diesem Jahr mit politischen und wirtschaftlichen Schreckensmeldungen.

Nun ist er da, der Aschermittwoch, die karge Fastenzeit. Wir können wieder beginnen, uns in den Meldungen des Tages zu verlieren, darüber nachzusinnen, wie schlecht denn dieses Jahr nun alles wird.

Allen mir gleichgesinnten Jecken unter Ihnen sei gesagt: "Der 11.11. kommt bestimmt, so Gott will" - ein Satz, den Theresia, meine Großeltern, gerne von sich gaben. So Gott will, werde ich auch wieder zum Sessionsauftakt in Düsseldorf oder Kölle sein, die Rivalität zwischen den beiden Hochburgen existiert nicht in meinem Kopf. Hoffen wir einfach, das bis dahin nicht alles beliebig schrecklich bleibt wie im Vorjahr. Die Hoffnung geht erst zuallerletzt von mir.

Die gute Nachricht ist, in 40 Tagen ist Ostersonntag. Wie auch immer Sie diese Fastenzeit begehen, mit Verzicht und Abstinenz oder purem Ignorieren, ich wünsche Ihnen gutes Gelingen! Bleiben Sie zuversichtlich.

Aschermittwoch

von Clara Müller-Jahnke

Nun fällt der tollen Narrenwelt
das bunte Kleid in Lumpen, -
und klirrend auf den Estrich schellt
der Freude voller Humpen.
Lautkrachend springt ins Schloss das Tor,
kein Lichtschein mehr am Fenster -
ein grauer Morgen kriecht empor,
der Morgen der Gespenster.

Da ist im tiefen Straßenstaub
ein stolzes Weib gestanden -
von ihrem Odem rauscht das Laub,
des Meeres Wogen branden.
Sie reckt sich in die Frühlingspracht
mit herrischer Gebärde:
mein ist, was blüht und weint und lacht -
mein ist die ganze Erde!

Was bimmelt ihr vom Kirchenturm
und predigt Reu und Buße?
Ihr seid das Sandkorn vor dem Sturm,
der Staub mir unterm Fuße.
Was schiert mich eurer Sünde Scham
und eurer Hölle Flammen?
Ich blas den ganzen Maskenkram
mit einem Hauch zusammen.

Gedicht gekürzt

Clara Müller-Jahnke, Dichterin, Journalistin und Frauenrechtlerin, *05.02.1860 in Lenzen, Hinterpommern, +04.11.1905 in Wilhelmshagen, seit 1920 zu Berlin.