Gerda Sophia Steinhardt

Gerda Sophia
Steinhardt

03.07.1930
Gladbeck
-
11.01.1994
Gladbeck

stimmungsbild
ZurückEine brennende Kerze: Kerze blau geschwungen
Die Eisheiligen

Von Andreas Steinhardt 13.05.2024 um 11:18 Uhr | melden

Zur heutigen Gedenkkerze ein Gedicht von Carl Zuckmayer.

Die „Eisheiligen“ sind in diesem Jahr eher sehr gnädig, es herrscht sommerliches Wetter bei Temperaturen bis zu 27° C in unserer Region.

Gerda fürchtete sich förmlich vor diesen Tagen: „Warten wir erst einmal die Eisheiligen ab‘‘, sagte meine Mutter gerne, wenn jemand aufgrund des beispielshalber milden Aprils schon den kommenden Mai mit Vorschusslorberren bedachte...

In den kommenden Versen von Carl Zuckmayer spricht der Autor von den „Drei Eisheiligen“, in Wirklichkeit sind es gleich der Fünf an der Zahl, meist wird nur von Pankratius, Servatius (heute) und Bonifatius gesprochen, Mamertus (11. Mai) und die „kalte Sophie“ (15. Mai) werden häufiger ausgelassen...

Das folgende Gedicht trifft also wettermäßig im diesem Jahr keineswegs zu – trotz dessen sind die Verse von Zuckmayer
meiner Meinung nach ganz schön zu lesen, man muss schon
ein wenig schmunzeln - und: Ich denke, DIESE Eisheiligen
werden wir sicherlich noch einmal in der Form erleben…
irgendwo, in unserem Land...


Die Drei Eisheiligen

von Carl Zuckmayer


"Die drei Eisheiligen sind übers Land gezogen
Und haben ihre Winterzähne ausgespuckt,
Die sind als Hagel auf die Saat geflogen,
Jetzt schwimmt der Acker voll mit Frost gesogen,
Mit grauem Schnee die Furchen voll geschluckt.

Es prasseln schlimme Wetter
Aus ihren Augenbraun,
Der Wein hat gelbe Blätter,
Der Weizen liegt zerhaun.

Der Erste, voll Gewittern, sägt
Der jungen Bäume Wuchs zuschand.
Des Zweiten harte Frostnacht schlägt
Die junge Frucht mit Eisesbrand.

Der Dritte kriecht im Nebelschleim
Dicht übern Boden durch den Gau,
Zernagt der Halme Wurzelkeim
Und beißt der Spargeln Köpfe blau.

Viel Mäuse, Raupen, Käfer sind
In ihrer Füße Spur verreckt,
Und liegen kalt im Totenwind,
Die Beine steif empor gestreckt.

Ein Kind hat sie am Himmel fliegen sehn,
Vergaß vor Schreck den Wettersegen,
Jetzt kann es nicht mehr aufrecht gehn,
Und sieht sie nachts im Fenster stehn,
Und magert stumm dem Tod entgegen.

Die drei Eisheiligen sind übers Land gezogen,
Und haben Schwindsucht in der Felder Brust gespuckt.
Jetzt hat sie Gott in seine Riesenwogen
Voll Frost und Wärme gurgelnd eingesogen,
Und tief in seine Gräber heimgeschluckt."


Carl Zuckmayer, *27. Dezember 1896 in Nackenheim, heute Landkreis Mainz-Bingen, Rheinhessen, + 18. Januar 1977 in
Visp, Kanton Wallis, CH.

Zuckmayer war ein deutscher Schriftsteller, der wegen rassischer Verfolgung als Jude emigrierte und die US-amerikanische und die Schweizer Staatsbürgerschaft erwarb. 1925 begann seine Karriere mit der Aufführung der von ihm stammenden Komödie "Der fröhliche Weinberg"!, der sich 1931 sein größter Erfolg, das Drama "Der Hauptmann von Köpenick", anschloss.