Gerda Sophia Steinhardt

Gerda Sophia
Steinhardt

03.07.1930
Gladbeck
-
11.01.1994
Gladbeck

stimmungsbild
ZurückEine brennende Kerze: Kerze rot rund
Stiller Augenblick von Gottfried Keller

Von Andreas Steinhardt 26.10.2025 um 17:20 Uhr | melden

Zur heutigen Gedenkkerze ein wie ich meine schönes Herbstgedicht von Gottfried Keller, mit Anmerkungen zu den Versen.

Das Sturmtief "Joshua" nimmt langsam an Stärke ab, nach morgendlichem Regen ist es nun trübe aber trocken, die Sonne blinzelte auch ein paar Mal kurz durch die wilden Wolken.

Heute vor genau einem Jahr war es in hiesigen Breitengraden ein wundervoller, sonnendurchfluteter Herbsttag mit Temperaturen bis
zu 20° - ein unvergessen schöner Oktober.

Solch einen Tag hätte Gerda in vollen Zügen genossen, ihr Tatendrang wäre gar nicht zu bremsen gewesen. An einem Tag wie heute wäre
sie beim Anblick des morgendlichen Regens vermutlich in eine Art "Melancholiestarre" verfallen - am Nachmittag hätte meine Mutter
aber sicherlich noch einen kurzen Spaziergang unternommen - oder hätte sich ein wenig im Garten aufgehalten und die heute wenigen Sonnenstrahlen dankbar aufgenommen...


Stiller Augenblick

von Gottfried Keller


Fliehendes Jahr, in duftigen Schleiern
Streifend an abendrötlichen Weihern,
Wallest du deine Bahn;
Siehst mich am kühlen Waldsee stehen,
Wo an herbstlichen Uferhöhen
Zieht entlang ein stummer Schwan.

Still und einsam schwingt er die Flügel,
Tauchet in den Wasserspiegel,
Hebt den Hals empor und lauscht;
Taucht zum andern Male nieder,
Richtet sich auf und lauschet wieder,
Wie’s im flüsternden Schilfe rauscht.

Und in seinem Tun und Lassen
Will’s mich wie ein Traum erfassen,
Als ob’s meine Seele wär’,
Die verwundert über das Leben,
Über das Hin- und Widerschweben,
Lugt’ und lauschte hin und her.

Atme nur in vollen Zügen
Dieses friedliche Genügen
Einsam auf der stillen Flur!
Und hast du dich klar empfunden,
Mögen enden deine Stunden,
Wie zerfließt die Schwanenspur!


Anmerkung zum Gedicht:

Wie ich finde ein sehr interessantes, etwas anderes Herbstgedicht,
die Ruhe am Waldsee wird prinzipiell als genießerischer Augenblick dargestellt: "Atme nur in vollen Zügen", "Dieses friedliche Vergnügen", kein Wort von Sturm oder Regen.


Besonders zum Reimschema:

Die Strophen sind im Schweifreimschema (aabac) aufgebaut und enden mit Hebungen, Paarreime mit Senkungen. Zu Versbeginn findet ein Wechsel Dieser statt. (Versfuß Trochäus, Daktylus in immer wieder vorkommenden Senkungen).

Gottfried Keller, *19. Juli 1819 in Zürich, +15. Juli 1890 ebenda.

Keller war Schriftsteller (z.B. "Der grüne Heinrich") Dichter, nebenbei Maler und im politischen Amt (Erster Staatsschreiber Kanton Zürich)