Theresia Remiorz

Theresia
Remiorz

16.06.1907
Wuttrienen
-
16.04.1997
Gladbeck

stimmungsbild
ZurückEine brennende Kerze: Kerze hellgrün lang
Frühlingsgedicht

Von Andreas Steinhardt 25.03.2024 um 16:07 Uhr | melden

Zur heutigen Gedenkkerze ein Gedicht von Clara Müller-Jahnke. Die Karwoche hat begonnen, die Natur ist in diesem Jahr ihrer Zeit weit voraus.
Der Frühling hat begonnen, vieles blüht, viel zu früh.

Theresia würde bei solch schönem, strahlendem Frühlingswetter blinzelnd in die Sonne schauen - und dem ganzen noch nicht so richtig trauen... "Na...warten wir erst einmal ab...der April kommt erst noch...und im Mai die Eisheiligen..." So sprach meine Oma einst, und zitiere auch ganz gerne dazu Bauernregeln...


Frühling


von Clara Müller-Jahnke


Zu meinen Füßen im welken Laub
und mir zu Häupten singt der Wind
in den knospenden Buchenkronen.
blühen die Anemonen,

Ist das ein strahlender Sonnenschein -
ist das ein wonniges Wetter!
Es rauschen unter meinem Fuß
die abgestorbenen Blätter . . .

Das ist der lachende Frühlingswind,
der kommt aus dem sonnigen Süden
und grüßt von der blauen Adria
die Wellen, die wintermüden.

Das ist der lachende Frühlingswind,
der wandert weiter am Strande
und küßt noch heute ein einsam Grab
im nordischen Nebellande.

Auch in den düstern Tannenwald
zieht singend König Frühling ein:
die jungen Knospen lockt er bald,
die glühn wie Blut im Sonnenschein.

Durch die wogende Brust des Waldes geht
ein Atemholen tief und stark -
ein Baum nur trauernd seitwärts steht,
den traf der Frost bis tief ins Mark.

Clara Müller-Jahnke, geborene Müller,
* 5. Februar 1860 in Lenzen, Kreis Belgard, Pommern, heute poln. Woiwodschaft Westpommern, +4. November 1905 in Wilhelmshagen (seit 1920 zu Berlin).

Müller-Jahnke war eine deutsche Dichterin, Journalistin und Frauenrechtlerin. Sie galt als führende sozialistische Dichterin ihrer Zeit und machte mit ihren Arbeitergedichten auf die Lage der Arbeiter und der Frauen aufmerksam.